taz.de -- Langzeitstudie zu Armut: Isoliert und abgehängt
Eine Langzeitstudie untersucht, wie sich Armut im Kindes- und Jugendalter auch später fortsetzt. Die Ergebnisse sind ernüchternd.
Berlin taz | Jedes dritte Kind, das vor 20 Jahren in Armut gelebt hat, lebt auch heute noch in Armut. So lautet das Fazit einer Langzeitstudie des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zum Thema „Lebenslagen und Lebenschancen bei Kindern und Jugendlichen“. Deren aktuelle Ergebnisse wurden am Mittwoch in Berlin vorgestellt.
Die Forscher hatten 1999 begonnen, die Lebensläufe von 205 Studienteilnehmenden im Alter von 6 Jahren zu verfolgen. Mittlerweile sind die Probanden 25 Jahre alt. Innerhalb der Familien könne es zur [1][„Reproduktion von Armut“] kommen, so die Forscher – allerdings handele es sich hierbei um „keinen Automatismus“. Die entscheidende Lebensphase sei der Übergang vom Kindesalter ins junge Erwachsenenleben. „Wenn es an diesen sensiblen Übergangsphasen passende soziale Dienstleistungen und ein funktionierendes soziales Netz gibt, dann steigen die Chancen der Betroffenen, der Armut zu entkommen“, sagte der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.
Die Studie hebt die Rolle von Berufskollegs für die Erlangung höherer Bildungsabschlüsse hervor. Ausreichend sei das aber nicht: [2][Wer in einer armen Familie aufwächst], bekommt weniger Unterstützung durch Freunde und Familie. Bei einem Fünftel der Befragten mit Armutserfahrung war der Vater als Bezugsperson nicht vorhanden. Allgemein gebe es bei Armen oft das „Gefühl, die Norm eines erfolgreichen jungen Erwachsenenlebens nicht zu erfüllen“. Das Risiko, in vielfacher Hinsicht isoliert und abgehängt zu sein, ist für Menschen in Armut fast zehnmal so hoch wie für Nichtarme.
Was die Studie auch betont: Menschen mit Armutserfahrung hätten einen klareren Blick darauf, welche Versprechen unsere Demokratie bislang nicht eingelöst habe: Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit.
6 Nov 2019
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