taz.de -- Größte Klimasünder der Welt: Die dreckigen drei

Wer ist der größte Klimasünder? China? Die USA? Die EU? Es kommt drauf an, wie man rechnet. Das Ergebnis kann durchaus überraschen.
Bild: Bei den Unternehmen gilt China Coal als größter Emittent von Kohlenstoffdioxid

Berlin taz | Wer dem Klima am meisten schadet, hängt davon ab, wie man rechnet. Schaut man auf die CO2-Emissionen der Nationalstaaten, liegt inzwischen China weit vorn. Die Supermacht aus Fernost stieß 2017 nach Zahlen der [1][EU-Datenbasis EDGAR] etwa 11 von weltweit 37 Milliarden Tonnen CO2 aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas aus. Es folgen die USA (5 Milliarden Tonnen) vor der EU (3,5 Milliarden), Indien, Russland und Japan. Bezieht man die Entwaldung in die Statistik ein, liegen Brasilien und Indonesien auf Rang 5 und 6.

Schaut man auf die „historischen Emissionen“, mit denen die Staaten die Atmosphäre seit der Industriellen Revolution belastet haben, dann sind die USA der größte Klimaschädling. Es folgen [2][laut einer Studie des Thinktanks „Climate Analytics“] die EU und China. Diese großen drei sind für etwa die Hälfte der bisherigen Erwärmung verantwortlich. Mit Abstand folgen dann Russland, Indien und Brasilien.

Nimmt man wiederum den aktuellen Ausstoß pro Kopf der Bevölkerung zum Maßstab, führen vor allem die reichen Ölstaaten mit hohem Einkommen: Katar mit 37 Tonnen, die Vereinigten Arabischen Emirate mit 21, dann Saudi-Arabien und Kuwait. Die USA, Kanada und Australien emittieren jeweils etwa 16 Tonnen pro Kopf. Die EU kommt auf einen Schnitt von etwa 7 Tonnen, weltweit sind es im Schnitt 5 Tonnen CO2 pro Kopf – weniger als 2 Tonnen pro Einwohner gelten als verträglich mit dem Klimaziel von 2 Grad.

Von einem „gerechten“ Wert weit entfernt

Unter den Konzernen belegt der chinesische Kohlegigant China Coal den ersten Rang bei den Verschmutzern. Im [3][„Carbon Majors Report“] von 2017 listet der britische Thinktank Carbon Disclosure Project die dreckigsten Unternehmen der Welt auf. Demnach sind allein die 25 größten Verschmutzer für mehr als die Hälfte aller CO2-Emissionen seit 1988 verantwortlich, als der Klimawandel offiziell als Problem erkannt wurde. Nach China Coal kommen die Staatskonzerne Saudi Aramco, Gazprom und Iranian Oil. An Platz 5 folgt das erste private Unternehmen: ExxonMobil, dann Coal India, Petroleos Mexikanos, Russia Coal und Royal Dutch Shell. Erster und einziger deutscher Konzern auf der Liste ist RWE auf Rang 41.

Und damit kommen wir zu Deutschland. Die Bundesrepublik verursacht zwar nur etwa 2 Prozent aller Klimagase weltweit – aber die Deutschen stellen auch nur etwa 1 Prozent der Weltbevölkerung. Schon für einen weltweit „gerechten“ Durchschnitt müssten die Emissionen also halbiert werden.

Historisch betrachtet ist Deutschland für etwa 4 Prozent des Problems verantwortlich. Mit etwa 9 Tonnen CO2 pro Kopf liegt es weltweit auf Rang 29 der dreckigsten Länder. Auch ist der deutsche Ausstoß pro Kopf und absolut deutlich höher als im Schnitt der EU. Der Grund: Deutschland ist ein reiches Land. Im weltweiten Vergleich steigt meist der CO2-Ausstoß mit Wohlstand und Sozialprodukt eines Landes an.

Die größten CO2-Schleudern in Deutschland sind die Braunkohlekraftwerke. Allein der Meiler [4][Neurath im rheinischen Revier] stieß 2018 rund 32 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus – fast so viel wie ganz Dänemark. Dichtauf folgen die Kraftwerke Niederaußem, Jänschwalde, Weisweiler, Schwarze Pumpe, Lippendorf und Boxberg. Unter den 10 größten CO2-Verschmutzern in der EU belegt Deutschland nach dem polnischen Werk Bełchatów die Plätze 2 bis 7 sowie Platz 9.

17 Sep 2019

LINKS

[1] https://edgar.jrc.ec.europa.eu/
[2] https://climateanalytics.org/publications/2019/climate-analytics-annual-report-2018/
[3] https://www.cdp.net/en/articles/media/new-report-shows-just-100-companies-are-source-of-over-70-of-emissions
[4] https://www.bund-nrw.de/themen/braunkohle/hintergruende-und-publikationen/braunkohlenkraftwerke/kraftwerksstandorte/#c935

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Schwerpunkt Fridays For Future
China
Schwerpunkt Klimawandel
CO2-Emissionen
Liebeserklärung
Braunkohle
Saudi-Arabien
Braunkohle
Kanada
Autoverkehr
Schwerpunkt Klimawandel
Lesestück Recherche und Reportage
Kohleausstieg
Autoverkehr

ARTIKEL ZUM THEMA

C02-Entsorgung im Untergrund: Rote Scheibe im Meeresboden

In Japan konnten in dreieinhalb Jahren 300.000 Tonnen Kohlendioxid im Meeresboden gespeichert werden. Seismologen sind aber misstrauisch.

Börsengang von Saudi Aramco: Danke, liebe Scheichs!

Der Börsengang des Ölgiganten ist der größte, den es bislang gab. Das zeigt, was Investoren über das Pariser Klimaabkommen denken.

Weisweiler-Prozess: Klima-Aktivismus als Notwehr

Fünf Angeklagte sollen ein Kohlekraftwerk blockiert haben. Am zweiten Prozesstag wurde abermals das Argument Notwehr diskutiert.

Weltgrößter Ölkonzern geht an die Börse: Saudi Aramco bekommt grünes Licht

Das profitabelste Unternehmen der Welt geht an die Börse: Saudi-Arabien strebt ein Emissionsvolumen von gigantischen 20 bis 40 Milliarden Dollar an.

Prozess wegen Kraftwerksblockade: Notwehr oder Straftat?

Darf man wegen des Klimawandels ein Braunkohlekraftwerk lahmlegen? Fünf Aktivist*innen müssen sich vor Gericht verantworten.

Fotomanipulation bei Kanadas Grünen: Zu viel gebechert

Kurz vor den Parlamentswahlen haben die Grünen in Kanada ein Problem: Ein Mitarbeiter hat zu viel mit Photoshop gespielt.

Angriffe in Saudi-Arabien: Es gab nie eine Ölkrise

Bei jedem Konflikt im Nahen Osten fürchten die Europäer, dass sich die „Ölkrise“ von 1973 wiederholt. Doch so dramatisch war es damals gar nicht.

Greta Thunbergs Erfolg: Flugscham verwirrt die USA

Greta Thunberg wird den Amerikanern nicht das Fliegen austreiben. Aber die Idee der Flugscham könnte zu anderen Veränderungen inspirieren.

Klimastreik am 20. September: Ein bisschen Generalstreik

Für Freitag ruft Fridays for Future zum Klimastreik auf. Diesmal sollen alle mitstreiken. Wie ernst ist es den Erwachsenen?

Kohleausstieg in Berlin: Kohleausstieg mit Hindernissen

Am Montag wurde die lang erwartete „Machbarkeitsstudie Kohleausstieg“ vorgestellt – selbst das beste Szenario ist KlimaaktivistInnen nicht gut genug.

Proteste bei der Automobilmesse IAA: Die Zeit zum Zurücklehnen ist vorbei

Die Blockade der IAA in Frankfurt hat ihr Ziel erreicht: Das Thema Klimaschutz wird so schnell nicht mehr von der Verkehrsagenda verschwinden.