taz.de -- Proteste bei der Automobilmesse IAA: Die Zeit zum Zurücklehnen ist vorbei

Die Blockade der IAA in Frankfurt hat ihr Ziel erreicht: Das Thema Klimaschutz wird so schnell nicht mehr von der Verkehrsagenda verschwinden.
Bild: Nach Atomenergie und Kohleindustrie knüpft sich die Klimabewegung nun die Autoindustrie vor

Sie sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Die Aktivist*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung haben die Verkehrsindustrie in den Fokus genommen. Die Atomenergie strahlt ihrem Ende zu und auch die Kohleindustrie ist eine sterbende Branche. Demnach ist dieser Schritt folgerichtig. Denn im Verkehrssektor bewegt sich kaum etwas, die Emissionen sind seit fast 30 Jahren auf dem gleichen hohen Niveau.

Am Wochenende vor dem von Greta Thunberg und [1][Fridays for Future] ausgerufenen globalen Klimastreik haben nun [2][rund 1.000 Aktivist*innen die Eingänge der Internationalen Automobilmesse (IAA) in Frankfurt blockiert]. Die Besucher*innen mussten Umwege in Kauf nehmen, sich durch die Demonstrant*innen drängeln, sich ihren Protest anhören. Sie mussten an behelmten Polizist*innen mit Schlagstöcken vorbeigehen, um in die Oase des unreflektierten Konsums einzutauchen. Das luxusträchtige Hochglanz-Event hat ein paar Kratzer bekommen.

Auch wenn die Blockade symbolischer Natur war, hat sie ihre Wirkung entfaltet. Die Aktivist*innen haben die Eingänge nicht komplett dichtgemacht – sie wollen keine Eskalation um jeden Preis. Ihr Ziel haben sie erreicht: sich in den Diskurs einzumischen und das Thema Klimaschutz auf die Verkehrsagenda zu setzen.

In den vergangenen Wochen war es Journalist*innen nicht möglich, über die IAA zu berichten, ohne die Kritik daran zu erwähnen. Selbst konservative Medien räumten den [3][Argumenten der Sprecherin des Protestbündnisses „Sand im Getriebe“, Tina Velo], Platz ein. Auch die Bundesregierung kann das Thema nicht länger aussitzen. Zwar dürften die Maßnahmen, die das Klimakabinett am Freitag verkünden wird, weit hinter dem Nötigen zurückbleiben. Aber wenigstens bewegt sich was.

Es reicht nicht, von Elektroautos zu reden

Auch die Autoindustrie bekommt das zu spüren. Zwar ist die Nachfrage nach besonders klimaschädlichen [4][SUVs] in Deutschland so hoch wie nie. Gleichzeitig standen sie aber auch noch nie so stark in der Kritik wie heute. Die Zeiten, in denen die Autohersteller sich entspannt zurücklehnen und Geld zählen können, sind vorbei.

Sie müssen etwas ändern, und es reicht nicht, unentwegt von Elektroautos zu reden, sobald jemand das Wort „CO2“ erwähnt. Der Öffentlichkeit ist nicht entgangen, dass es die gefühlt hundertste Messe ist, die unter dem Motto Elektromobilität stehen soll, während sich die CO2-Bilanz nicht verbessert.

Es kommt langsam im öffentlichen Bewusstsein an, dass eine wirkliche Verkehrswende hermuss. Angesichts der Betrügereien und der Skandale der Autoindustrie ist es dafür zwar ziemlich spät. Aber das Thema wird so schnell nicht von der Agenda verschwinden.

16 Sep 2019

LINKS

[1] /Schwerpunkt-Fridays-For-Future/!t5571786
[2] /Proteste-gegen-die-IAA-in-Frankfurt/!5626108
[3] /Aktivistin-und-VW-Chef-im-Streitgespraech/!5622446
[4] /Die-Geschichte-des-SUV/!5623860

AUTOREN

Katharina Schipkowski

TAGS

Autoverkehr
Schwerpunkt Klimawandel
Mobilität
Protestbewegung
Schwerpunkt Klimaproteste
SUV
Schwerpunkt Klimawandel
Ramona Pop
Bosch
Schwerpunkt Fridays For Future
IAA
Schwerpunkt Klimawandel

ARTIKEL ZUM THEMA

Anti-Autobahn-Aktionstag: Mit Maleranzügen auf die A 100

Die Klimabündnisse Sand im Getriebe und Ende Gelände wollen den Ausbau der Stadtautobahn in Berlin stoppen. Eine Massenaktion ist am 5. Juni geplant.

Automobil-Messe: IAA: Pop sauer auf eigene Leute

Grüne Wirtschaftssenatorin kritisiert fehlende Unterstützung. Koalitionspartner SPD wiederum kreidet ihr die Niederlage bei der Vergabe an.

Bosch baut Arbeitsplätze ab: Ende des Diesels naht

Die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen sinkt, die Branche steuert um Richtung E-Autos. Für viele Zulieferer hat das negative Folgen.

Größte Klimasünder der Welt: Die dreckigen drei

Wer ist der größte Klimasünder? China? Die USA? Die EU? Es kommt drauf an, wie man rechnet. Das Ergebnis kann durchaus überraschen.

Frankfurts OB über die IAA: „Das hat es bislang nicht gegeben“

Seit Jahren ist es Tradition, dass Frankfurts Oberbürgermeister das Grußwort auf der IAA hält. Dieses Jahr wurde er nicht eingeladen. Warum?

Umweltschutz in Deutschland: Woher kommt die Kohle fürs Klima?

Wie den CO2-Ausstoß schneller senken? Wenn am 20. September beim Klima-Kabinett darüber gesprochen wird, geht es immer auch ums Geld.