taz.de -- Lebensverhältnisse in Ost und West: Go West!

Die ungleichen Lebensverhältnisse in Deutschland lassen sich nicht mit Geld allein beheben. SUV-Dichte hier, Verwahrlosung dort, das macht Angst.
Bild: Dass der Osten Deutschlands immer noch strukturschwach ist, muss sich ändern

Schaut man sich die Karten des von der Bundesregierung herausgegebenen „Deutschlandatlas“ an, kann man allen, die für sich und ihre Kinder eine gute Zukunft wünschen, nur raten, [1][Ostdeutschland zu verlassen]. Einkommen, Polizeipräsenz, Betreuungsschlüssel in der Kita – wer westlich der einstigen innerdeutschen Grenze lebt, kann mit einem besseren Leben rechnen. So schlicht ist die Erkenntnis aus diesem Kartenwerk.

Die Große Koalition hatte sich gleich zu ihrem Start auf die Fahne geschrieben, den Zusammenhalt im Land zu stärken. Grundlage dafür ist Artikel 72 des Grundgesetzes, der allen BürgerInnen „die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ zusichert. Die Botschaft des „Deutschlandatlas“ lautet exakt gegenteilig: Von Gleichwertigkeit ist dieses Land weit entfernt. Vor allem zwischen Ost und West liegen riesige Unterschiede, aber auch [2][zwischen den strukturschwachen Gegenden und den überstrapazierten Ballungsräumen]. Probleme haben hier wie dort alle, nur eben unterschiedliche.

Dass man in der Bundesregierung darüber gestritten hat, wie diese für jeden spürbare Lage zu verbessern wäre, darf als weiterer Nachweis der Dringlichkeit verstanden werden. Während die Rechten die immer zahlreicher werdenden Abgehängten in die Opferrolle reinquatschen, bleibt den politisch Verantwortlichen kaum mehr, als für noch mehr Geduld und einen weiteren Vertrauensvorschuss zu werben.

Fatal ist, dass die Geschichten vom Mangel an den Küchentischen erzählt werden, während Regierung und Parlament so tun, als bedürfe es nur einer geldwerten Kraftanstrengung und besserer Stimmung, um [3][die abgehängten Landstriche] zum Blühen zu bringen oder bezahlbaren Wohnraum in den Städten zu schaffen.

Das Problem reicht aber tiefer. Bilder von Pfandflaschen sammelnden Rentnern und verwahrlosten Schultoiletten bei gleichzeitig zunehmender SUV-Dichte einer privilegierten Erbengeneration machen Angst. Dass Menschen jene Gegenden verlassen, wo ihnen ihre Zukunft unsicher erscheint, ist nur verständlich.

11 Jul 2019

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AUTOREN

Anja Maier

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