taz.de -- Sudan-Experte über Folgen der Proteste: „Ich sehe keine gute Zukunft“

Sudan-Experte Magdi el-Gizouli erklärt, warum das Militär eine zivile Regierung jetzt nicht zulassen wird. Das Land werde deshalb instabiler.
Bild: Demonstranten halten Steine bei einer Demo in Khartum am Montag

taz: Herr Gizouli, die Protestbewegung im Sudan ist jetzt zurückgedrängt worden, aber sie will nach wie vor eine zivile Regierung. Ist das möglich?

Magdi el-Gizouli: Die Soldaten geben ihre Macht nicht so einfach auf. Aber sie können auch nicht allein herrschen. Sie brauchen einen politischen Partner, und das ist unter den gegenwärtigen Umständen das Bündnis der Oppositionsgruppen. Aber auch die paramilitärische Miliz Rapid Support Forces (RSF), die aus der Janjaweed-Reitermiliz in Darfur hervorging, wo sie schwere Menschenrechtsverletzungen beging, ist jetzt ein Machtfaktor.

Wie ist es möglich, dass so eine lokale Gruppe zu einer nationalen paramilitärischen Organisation wächst, deren Truppenstärke auf bis zu 50.000 geschätzt wird?

Die meisten Kämpfer kommen aus der Sahelzone, die in den letzten Jahrzehnten von Dürren geplagt war. Dadurch wurden die autarke Landwirtschaft und die Viehzucht, von der die Bewohner lebten, weitgehend unmöglich gemacht. Früher brauchten Menschen in der Region nur in Ausnahmefällen Geld, um zum Beispiel Kleider und Seife zu kaufen. Aber jetzt herrscht dort auch ein Geldwirtschaft. Krieg ist eine Aktivität, womit Geld zu verdienen ist. Der Beitritt zu Milizen wie Janjaweed bot eine Alternative.

RSF-Leiter Mohamed Hamdan Dagalo, bekannt als Hametti, ist der Vize-Vorsitzende des herrschenden Militärrates. Es besteht der Eindruck, dass er der eigentliche Machthaber von Sudan ist. Wie ist es so weit gekommen?

Er ist ein schlauer Geschäftsmann. Er handelt mit Krieg, Vieh und Gold. Während des Bashir-Regimes wurde seine Miliz gut ausgerüstet. Dagegen ist die Ausrüstung der Armee nicht gut. Sudan hat Generäle ohne Armee. Die Soldaten sind wenig motiviert und darum unzuverlässig. Das gab Hametti und der RSF die Gelegenheit, mächtig zu werden.

Die Opposition hatte Vertrauen in Armee und RSF, weil sie im April die Demonstranten gegen Bashir schützten und ihn schließlich stürzten. Aber Anfang Juni war es die RSF, die die Oppositionsdemonstrationen gewaltsam auflöste und ein Blutbad anrichtete. Warum hat die Opposition der RSF vertraut, obwohl sie Mord, Vergewaltigungen und Plünderungen in Darfur auf dem Gewissen hat?

Die Opposition reagiert zu viel aus ihrem eigenen Hintergrund. Es ist in erster Linie eine Gruppe von Menschen aus der Mittelschicht von Khartum. Die Zusammenstellung ist nicht national, es gibt wenig Vertreter von außerhalb Khartums. Sie wussten sicher, was die RSF einst in Darfur gemacht hat und wozu sie fähig war. Aber das war scheinbar weit weg für sie. Was in Darfur passiert ist, passiert jetzt in Khartum.

Warum konnte die Opposition aus politischen Parteien und Gewerkschaften sich nicht gegen das Militär durchsetzen?

Die Opposition leidet unter einer Campusmentalität. Sie entwickeln all ihre Forderungen im Konsens, etwas, das sie von ihren Universitätszeiten gelernt haben. Das ist erfrischend in einer Periode der Mobilisierung. Aber wenn es zu Verhandlungen kommt, müssen schnell Entscheidungen getroffen werden. Der Wunsch nach Einstimmigkeit verlangsamte jedoch alles. Die Opposition reagierte zu langsam auf die Forderungen der Armee. Und wenn später die Demonstranten nicht einverstanden waren, wurde die Position wieder geändert. Das alles funktioniert nicht auf der politischen Bühne.

Heute scheint der Wunsch nach einer zivilen Regierung wieder unerreichbar. Wie wird die Zukunft aussehen?

Ich sehe keine Zukunft, die gut aussieht. Die Militärs werden eine zivile Regierung jetzt nicht zulassen. Die Opposition wird ihren demokratischen Traum nicht aufgeben. Ich fürchte Instabilität, die die Sudanesen dazu bringen wird, ihr Land zu verlassen.

25 Jun 2019

AUTOREN

Ilona Eveleens

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