taz.de -- Klimaschutz auf dem G20-Gipfel: Weit hinten auf der Liste
Der G20-Gipfel in Osaka enttäuscht die Hoffnung, dass die wichtigsten Staaten der Welt gemeinsam gegen den Klimawandel tun.
Tokio taz | Schon zum Auftakt des G20-Gipfels hatte Gastgeber Shinzo Abe zu Kompromissen aufgerufen. Am Ende bekam der japanische Regierungschef das Erhoffte. Der Eklat blieb aus, die [1][Abschlusserklärung] kam zustande. „Wir haben nach den Gemeinsamkeiten gesucht“, zog Abe Fazit. Allerdings lässt sich das 13-seitige Abschlussdokument des Treffens genauso gut als Beweis für die Spaltung der Welt in Nationalisten und Multilateralisten lesen. Die einen betonen ihre nationalen Interessen, die anderen die internationale Zusammenarbeit. Unterm Strich bleiben Formelkompromisse auf Minimalniveau, in der Sache bewegt sich niemand.
Beispiel Handelspolitik: Wieder blieb die Ablehnung von Protektionismus aus, wieder forderte man eine Reform der Welthandelsorganisation – die gleichen Sätze wie im Vorjahr. Die Klimapolitik machte den Stillstand der 20 wichtigsten Staaten inklusive der EU noch deutlicher. Schon in den Beratungen spielte das Thema keine große Rolle.
Teilweise liegt dies daran, dass die G20 auf Finanz- und Wirtschaftsfragen fokussieren. Schließlich entstand das Treffen als Folge der großen Finanzkrise 2008/09. Angesichts der Bedrohung der Menschheit müsste die Klimafrage in der Tagesordnung jedoch weit nach oben rücken. Aber die Staatschefs debattierten darüber erst in der fünften und letzten Arbeitsgruppe. In der 43 Punkte langen Abschlusserklärung steht der Klimawandel erst an 35. Stelle.
Durch das harte Ringen um die Klimaaussagen wollten vor allem die Vertreter von Europa beweisen, dass sie noch genügend internationales Gewicht haben. Daher feierte Kanzlerin Angela Merkel das, was im Vorjahr in Buenos Aires noch als eine Niederlage galt: „Es ist gelungen, jetzt doch wieder eine 19-plus1-Erklärung zu haben“, sagte Merkel. Tatsächlich verzeichneten die „Klimaschützer“-Staaten mehrere Erfolge. Die befürchtete Koalition der Klimaskeptiker kam nicht zustande. Neben den USA drohten auch Brasilien, die Türkei, Saudi-Arabien und Australien auszuscheren. Am Ende nennen 19 Unterzeichner des Abschlusskommuniqués das Pariser Klimaschutzabkommen „unumkehrbar“.
„Tropen-Trump“
Angeblich machte die EU den in Osaka verkündeten [2][Freihandelsvertrag mit den Mercosur-Staaten] in Lateinamerika davon abhängig, dass Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro, oft „Tropen-Trump“ genannt, den Pariser Vertrag nicht verlässt. Ein weiterer Pluspunkt: Russlands Präsident Wladimir Putin will das Klimaabkommen ratifizieren. „Bei uns vollzieht sich der Klimawandel doppelt so schnell“, gestand Putin in Osaka. Vor zwei Jahren hatte er die Erwärmung der Atmosphäre noch einen natürlichen Prozess genannt.
Andererseits können Klimaschützer nicht zufrieden sein. Die USA durften nicht nur erneut betonen, dass der Paris-Vertrag Arbeiter und Steuerzahler in den USA benachteilige. Diesmal bezeichnete das Dokument ausgerechnet den weltgrößten Produzenten von Treibhausgasen als führend bei der Verringerung von Emissionen, obwohl dies nur für die Zeit von 2005 bis 2017 gilt. Daher kam es zu frustrierten Reaktionen.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte schnelles Handeln. „Die G19-Führer müssen mit der rapiden Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft beginnen“, sagte Geschäftsführerin Jennifer Morgan. Die Kinderhilfsorganisation World Vision sprach von einem „Gipfel des Stillstands“.
Selbst Frankreichs Präsident reichte die Bekräftigung des Status quo nicht. „Beim Klima entfernen wir uns immer mehr von der Realität“, meinte Emmanuel Macron selbstkritisch und hinterfragte die Nützlichkeit von Kommuniqués. Für den G7-Gipfel Ende August in Biarritz kündigte er Verpflichtungserklärungen an, sobald es eine ausreichend große Staatengruppe gebe.
30 Jun 2019
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