taz.de -- Putschversuch in Venezuela: Machtübernahme gescheitert

Mit dem Militär an seiner Seite wollte Oppositionsfüher Guaidó den Präsidenten Maduro stürzen. Doch das scheint nicht gelungen zu sein.
Bild: Nicolas Maduro im Kreise seiner Liebsten

Buenos Aires taz | Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro sieht sich wieder im Aufwind. „Der Staatsstreich ist gescheitert,“ verkündete er am Dienstagabend im Fernsehen. Noch am Morgen hatte eine kleine Gruppe bewaffneter Militärs unter Führung des selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó versucht, [1][einen Aufstand anzuzetteln]. Stundenlang war die Lage in Caracas unübersichtlich, doch bereits gegen Mittag zeichnete sich das Scheitern der Rebellion ab. Verteidigungsminister Wladimir Padrino versicherte Maduro die absolute Loyalität und gab an, dass alle Militäreinrichtungen unter Kontrolle seien.

Da Maduro selbst den ganzen Tag über nicht persönlich in Erscheinung trat, gab es viele Spekulationen über einen bevorstehenden Machtwechsel. Und der Tag hatte früh begonnen. Gegen fünf Uhr morgens stellte Juan Guaidó ein Video ins Netz, das ihn zur Überraschung aller mit dem Oppositionspolitiker Leopoldo López sowie einer Gruppe bewaffneten Militärs zeigte. Im Video rief Guaidó die Streitkräfte zur Unterstützung seiner „Operation Freiheit“ auf. „Heute sind mutige Soldaten, mutige Patrioten, mutige Männer, die die Verfassung unterstützen, unserem Aufruf gefolgt“, sagte Guaidó.

Leopoldo López gehört wie Guaidó zur Führungsriege der Voluntad Popular, einer Oppositionspartei. López selbst berichtete, dass er am frühen Morgen von Soldaten aus seinem Hausarrest befreit wurde, unter dem er seit Juli 2017 stand. 2015 war er in einem fragwürdigen Prozess zu knapp 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden und knapp zwei Jahre später aus Gesundheitsgründen in den Hausarrest überstellt worden. Das Gericht hatte ihn für die Gewalt bei den großen Demonstrationen 2014 verantwortlich gemacht.

Was dem gemeinsamen Video-Auftritt mit Guaidó folgte, war offensichtlich der Versuch, den Luftwaffenstützpunkt La Carlota im Osten von Caracas einzunehmen. Aufnahmen zeigen einige dutzend Nationalgardisten, erkennbar an blauen Stoffbinden, die Richtung Stützpunkt unterwegs waren, begleitet von einer Menge vermummter und zumeist junger Demonstrierender. Guaidó ist ebenfalls mit einer blauen Armbinde zu sehen. Es kam zu heftigen Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und regierungstreuen Uniformierten.

US-Administration war eingeweiht

Regierungsgegner warfen Steine, die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. Auch Schüsse fielen. Vermummte griffen gepanzerte Militärfahrzeuge an und steckten Busse in Brand. Ein Panzerwagen der regulären Armee fuhr in eine Gruppe von vermummten Demonstrierenden, die auf der Seite Guaidós standen. Später verlagerten sich die Auseinanderzungen Richtung der Stadtviertel Altamira und Chacao in Caracas. Zwar hielten sie den Tag über an, zu größeren Demonstrationen kam es jedoch nicht. Am Abend wurden 69 Verletzte gemeldet. Im ganzen Land seien mindestens 83 Menschen bei den Demonstrationen festgenommen worden, erklärte die Menschenrechtsorganisation Foro Penal.

Ob Guaidós Plan tatsächlich die Einnahme des Luftwaffenstützpunktes vorsah, ist offen. Unterstützt wurde er jedoch von der sicherlich eingeweihten US-Administration. So verkündete US-Sicherheitsberater John Bolton, man stehe bereits mit hohen Regierungsfunktionären in Verhandlungen. Und in einem CNN-Interview sagte US-Außenminister Mike Pompeo, Maduro sei bereit, in ein Flugzeug nach Kuba zu steigen. „Die Russen haben ihm aber zu verstehen gegeben, dass er bleiben sollte“, so Pompeo. Prompt warf das russische Außenministerium den USA die Verbreitung von Fakenews vor.

Am Abend meldete sich Guaidó zu Wort. Statt einer angekündigten Pressekonferenz verbreitete er jedoch lediglich eine kurze Videobotschaft. Der Tag habe gezeigt, dass Maduro den Rückhalt der Streitkräfte verloren habe, so Guaidó. „Das war kein Staatsstreich, sondern eine friedliche Rebellion“, sagte er und forderte die Militärs abermals zur Unterstützung seiner „Operation Freiheit“ auf. Militärs und Bevölkerung sollten dazu am 1. Mai massenhaft auf die Straßen gehen.

Leopoldo López suchte mit seiner Familie anschließend zuerst in der chilenischen Botschaft Zuflucht, später in der spanischen Botschaft. Maduro kündigte in seiner abendlichen Fernsehrede vor allem den abtrünnigen Militärs Konsequenzen an. „Diese Verräter werden ihr Schicksal noch kennenlernen“, orakelte der Staatschef.

1 May 2019

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Jürgen Vogt

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