taz.de -- Kolumne Europa-Express: Tagebuch einer Europareisenden

Was beschäftigt die Menschen dieses Kontinents? Wo liegen die Probleme? Ein Trip von Vilnius nach Lissabon, einmal quer durch Europa.
Bild: Sechs Länder, sieben Tage, fast 4.000 Kilometer Schienen: ein Trip quer durch Europa

Es ist schon absurd, wie leicht das Reisen heute ist – und wie kompliziert es dann doch noch werden kann. Meinen Flug von Berlin nach Vilnius habe ich kurzfristig gebucht – Ryanair, 14,95 Euro. So jettet man [1][heutzutage eben durch Europa].

Sieht man mal von der Abflugzeit um 07.25 Uhr ab, lande ich anderthalb Stunden später äußerst komfortabel in der litauischen Hauptstadt. Von hier aus werde ich meinen Trip quer durch den europäischen Kontinent bis nach Lissabon starten: sechs Länder, sieben Tage Zugfahren, fast 4.000 Kilometer Schienen.

Auf meiner Zugreise hoffe ich, mehr über Europa herauszufinden: Wie lebt es sich hier? Welche Themen bewegen die Menschen? Was erwarten sie von der EU und was von den anstehenden Wahlen?

Gleich zu Beginn muss ich feststellen: So einfach der Flug von Hauptstadt zu Hauptstadt war, so unbequem gestaltet sich das Buchen meiner restlichen Reise. Direkt bei der ersten Strecke scheitere ich: Mit dem Zug von Litauen ins benachbarte Polen, die beide EU-Länder sind? Unmöglich. Zumindest an dem Tag, an dem ich gerne fahren würde, denn die Verbindung existiert nur am Wochenende. Warschau muss also warten. Dafür ist am nächsten Tag Kaunas dran, die zweitgrößte Stadt in Litauen.

„Zeitunglesen raubt mir die Energie“

Heute aber erstmal Vilnius. Was mir gleich auffällt: im Gegensatz zu Berlin, wo auf meinem Weg zur Arbeit schon seit Tagen und Wochen Wahlplakate frohe [2][Botschaften zur Europa-Wahl] verkünden, scheint es in Vilnius einziges Plakat zu geben, sei es noch so winzig.

Danach frage ich auch Ada. Die Grafikdesign-Studentin habe ich über Couchsurfing kontaktiert – das hat früher schon geklappt und tut es heute immer noch. Wir treffen uns in einem hippen Café mit Garten, ich trinke eine Rosenlimonade. Berliner Preisniveau.

Vom Wahlkampf habe Ada bisher noch nichts mitbekommen. „Aber da fragst du sowieso die falsche Person“, meint die 21-Jährige. „Ich bin nicht besonders politisch. Zeitunglesen raubt mir die Energie.“ Darüber, in Europa zu leben, sei sie aber glücklich: „Ich war vor ein paar Wochen in Israel und da ist mir wieder bewusst geworden, wie glücklich ich mich schätzen kann, hier zu leben. In Frieden.“

Morgen sehen Ada und ich uns wieder. Sie fährt auch nach Kaunas, um ihre Familie zu besuchen. Die Strecke dorthin soll schön sein, sagt sie.

29 Apr 2019

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AUTOREN

Jana Lapper

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