taz.de -- Kolumne Pressschlag: Der „weiße Sport“ ist bunt

Tennisprofi Naomi Osaka gewinnt die Australian Open. Ihr Sponsor betreibt in einem animierten Werbevideo Whitewashing.
Bild: Naomi Osaka hat am Samstag die Australian Open gewonnen

Über Naomi Osaka [1][lässt sich ja einiges sagen]: Dass die 21-jährige Tennisspielerin am Samstag die Australian Open gewonnen hat, beispielsweise. Oder dass die Japanerin durch ihren dramatischen 7:6-, 5:7-, 6:4-Dreisatzsieg über Petra Kvitová in Melbourne die erste Asiatin ist, die die Weltrangliste der Frauen anführt. Der Finalsieg ist ihre individuelle Leistung, die Ranglistenplatzierung eine politische; sie verweist nämlich auf die immer noch vorherrschende soziale Ordnung im Welttennis, das nicht durch Zufall „weißer Sport“ genannt wird.

Naomi Osaka ist Japanerin, und ausgerechnet bei einem ihrer wichtigsten Sponsoren, dem japanischen Instant-Nudel-Hersteller Nissin Foods, ist man der Meinung, dass diese erfolgreiche Spitzensportlerin nicht aussieht, wie eine Japanerin gefälligst auszusehen hat. Die Firma hat nämlich einen animierten Werbeclip veröffentlicht, in dem Osaka, immerhin die Hauptwerbeträgerin des Unternehmens, plötzlich eine sehr weiße Hautfarbe hat.

Den Shitstorm, der über sie hereingebrochen ist, haben sich die Nudelverkäufer redlich verdient. Eine Schwarze Sportlerin mit den Methoden des Whitewashing zu präsentieren, nennt man zu Recht Rassismus. Dass noch im Jahr 2019 ein auf dem Weltmarkt operierender Nahrungsmittelkonzern zu diesen Mitteln greift – oder, was kein bisschen besser ist: so gar nichts bemerkt haben will, wenn dem Tennisprofi mit haitianischem Vater ein Weißgesicht verpasst wird –, zeigt, dass Tennis sein Image als „weißer Sport“ immer noch nicht abgelegt hat.

Es war nicht nur, es ist bis heute für viele das exklusive Spiel der englischen Höflinge. Wer’s nicht glaubt, soll sich mal die Wimbledon-Siegerehrungen angucken. Sehr spät erst wurde Tennis von sozialen Gruppen erobert, die ursprünglich nicht dabei waren: Der erste schwarze Sieger eines Grand-Slam-Turniers war der Amerikaner Arthur Ashe – erst 1969. Bei den Frauen war es die Amerikanerin Serena Williams – erst 1999! Afrikanische Sieger und Siegerinnen sucht man vergebens. Und, wie gesagt, Osaka ist die erste asiatische Nummer eins – seit dem heutigen Montag!

Sponsor will sich rausreden

Der Clip, den die Firma mit der Bitte um Entschuldigung zurückgezogen hat, ist also nicht nur – was schlimm genug wäre – Ausdruck dessen, wie sich Werbemacher Japaner und Japanerinnen vorstellen. Er gibt darüber hinaus auch Auskunft, wie viele Kämpfe noch geführt werden müssen, damit ein Weltsport wie Tennis auch die Weltgesellschaft angemessen widerspiegelt.

Dass es um mehr als Sport geht, offenbart die Begründung der Firma: Man habe den Clip so gestaltet, wie es in „der Welt japanischer Animation“ üblich sei und wie man es auch vom Manga kennt. Da sei eine sehr hellhäutige Figurenzeichnung ganz normal. Offensichtlich glaubt man bei Nissin, wenn man nur einen Bereich findet, in dem es ähnlich weißwaschend zugeht, sei man raus aus der Kritik. Weiße Weste, sozusagen.

Osaka selbst, die ja weiterhin mit dem Nudelkonzern vertraglich verbunden ist, sagte, mit deren Entschuldigung sei die Sache für sie erledigt. „Ich denke aber eindeutig, sie sollten mit mir darüber reden, bevor sie mich wieder abbilden wollen oder so.“ Besser wäre es, so Osaka, man würde sie in die Produktion solcher Werbeclips einbeziehen.

Ein kluger Gedanke. Denn der Umstand, dass hier eine Schwarze Weltklassesportlerin als Weiße präsentiert wurde, deutet auch an, dass in der Kreativabteilung des Nudelherstellers, wo man sich die Clips ausdenkt, niemand arbeitet, der sich eine Japanerin anders als mit weißer Hautfarbe vorstellen kann. Es genügt also nicht, so kann man Osakas Gedanken fortführen, die Tenniscourts zu erobern, jeder andere gesellschaftliche Bereich hat gefälligst auch zu zittern.

27 Jan 2019

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AUTOREN

Martin Krauss

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