taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Auto, Angst, Mann
Wie lange noch nehmen wir die Aufpralldrohungen der Brumm-Brumm-Typen hin? Schluss mit dem Gewaltneurosenüberhang!
In der Komödie ist es ein Klavier, das herabfällt, ein Amboss; im Lokaljournalismus klatscht es Kot und Urin, wie letzten Sommer auf den Offenbacher Wochenmarkt; im Beziehungsdramolett fliegt mal ein Blumentopf, mal eine Hose. Der ganz alltägliche Unfall verschwindet dahinter. Es braucht Absurdes, um Absurdes zu verdrängen: ein Auto, das zu bremsen scheint, aber wieder beschleunigt. Ein Auto, das um die Ecke schießt und erst zu spät zum Halten kommt. Ein Auto, das falsch oder richtig abbiegt und den Fußgänger niedermäht. Ein Auto, ein Mensch, eine Waffe.
Dass bestimmte und eigentlich alle Motoren langsame Giftspritzer sind, man sich aber hierzulande „Fahrspaß“ und „Agilität“ um den Himmel nicht nehmen lässt, ist weidlich bekannt. Auch im dritten Jahrhundert nach ihrer Einführung jedoch bleibt unerforscht, was Automobilität mit den Nerven der Menschen anstellt, die unter der Unmittelbarkeit ihrer ständigen Aufprall- und Zermalmungsdrohung leben müssen.
Sucht man die Begriffe „Auto“, „Angst“ und „Stadt“ in beliebiger Reihenfolge, erhält man – richtig: allerlei Hilfen zum Umgang mit „Fahrangst“. Das ist, erfährt man, die Angst des Fahrers beim Elfmeter; nicht etwa die, die jeden Zivilbürger umtreibt, der schon mal wachen Auges durch ein beliebiges Stadtzentrum gelaufen ist, sondern vielmehr das Nicht-hinterm-Steuer-sitzen-Mögen. Als solches pathologisch, hat es sogar im Störungskatalog der klinischen Psychiatrie seinen Platz, F.40 2: Spezifische (isolierte) Phobien.
Klar ist: Es muss Auto gefahren werden. Immer und überall. Auch in der Großstadt. Wer das nicht will, ist bescheuert.
Die Höllenmaschine
Dass selbst die Franzosen, die über einer Ökosteuer das Fallbeil wieder ausgegraben haben, ihre alten Karren am Stadtrand stehen lassen, um in schicke Straßenbahnen umzusteigen, wirkt wie Science-Fiction. Nein, nein, der Deutsche braucht Raum und stellt die ganze Stadt mit Stahlblech voll. Wenn es Unfälle gibt, ist der Alkohol schuld. Die Unerfahrenheit. Die Beschilderung. Die Unaufmerksamkeit. Nur eins nicht: das Auto, die Höllenmaschine.
Mit fortschreitender Entwicklung in Tötungsbelangen verkürzen sich die Abzugwege. Ist es noch schweißtreibend, jemandem fünfundzwanzigmal eine Keule gegen den Kopf oder ein Brotmesser in die Hüfte zu rammen, so besteht die astralmännliche Auto- und Drohnensportlichkeit im Drücken von Knöpfen. Wer das nachhaltig mit Mut und Heldentum zu verknüpfen vermochte, kann auch dreckiges Abwaschwasser wieder stylisch machen (und wird es vermutlich bald tun).
Ein Vorschlag: Diejenigen mit Gewaltneurosenüberhang rollen mit dem fair gehandelten Rollbrett regelmäßig an den Stadtrand und agieren dort aus, was sie umtreibt. Nicht feige hinterm Lenkrad, sondern mutig und mit Essstäbchen im Auge. Der Rest lebt friedlich und autofrei bis ans Ende seiner Tage.
Können wir jetzt endlich wieder über Robert Habecks Emo-Falten reden?
27 Jan 2019
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