taz.de -- „Midterm“-Wahlen in den USA: Hoffnung auf die blaue Welle
Kann Donald Trump so unangefochten weiterregieren wie bisher? Genau darüber entscheiden bald die US-Amerikaner_innen.
Berlin taz | Wenn die US-Amerikaner_innen am Dienstag über die Zusammensetzung des Repräsentantenhauses, ein Drittel des Senats, 39 Gouveneure und unzählige kommunale Ämter abstimmen, dann steht dabei ein Name im Vordergrund der Debatte, der nicht auf dem Wahlzettel steht: [1][Donald Trump].
Seit Monaten schon registrieren Forschungsinstitute wie das Pew Research Center ein für Midterm Elections, die Wahlen zur Halbzeit einer Präsidentschaft, ungewöhnlich hohes Interesse an Politik. Und: Diesmal geben rund drei Viertel der Wähler_innen in Umfragen an, dass sie die Frage umtreibt, welche Partei nach den Wahlen im Kongress die Mehrheit hat.
Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise sorgt das US-amerikanische Wahlsystem dafür, dass lokale oder regionale Themen die Wahl im Bundesstaat oder Distrikt entscheiden: Das Wahlsystem kennt keine Zweitstimme, sondern entsendet Direktkandidaten per Mehrheitswahlrecht in den Kongress.
Die Mehrheitsverhältnisse [2][beschäftigen auch Trump]: Seit seinem Amtsantritt kann er auf die republikanische Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses zählen; eine komfortable Position, die ihm etwa das Durchsetzen der sogenannten Steuerreform ermöglicht hat, die eine Umverteilung von unten nach oben bedeutet.
Es ist schon politische Tradition, dass die Partei eines neu gewählten Präsidenten in den ersten Midterm Elections stets Sitze in Senat und Repräsentantenhaus verliert. Einzige Ausnahme in den letzten Jahrzehnten waren die Midterms 2002 in der ersten Amtszeit von George W. Bush – aber das waren die ersten nationalen Wahlen nach den Terroranschlägen des 11. September 2001.
Kommt jetzt also die „blaue Welle“, von der die Demokraten träumen? Sie hoffen, zumindest das Repräsentantenhaus zurückerobern zu können. Sie sei sich inzwischen sicher: „Wir werden gewinnen“, sagt Fraktionschefin Nancy Pelosi. Die meisten Umfragen signalisieren Zugewinne von mindestens 20 Sitzen – das würde reichen, um die Mehrheitsverhältnisse knapp umzudrehen.
Im Senat müssten die Demokraten eigentlich nur zwei Sitze hinzugewinnen – es ist ein besonders unglücklicher Zufall, dass in diesem Jahr aufgrund des Sechs-Jahres-Turnus sehr viel mehr Demokraten um ihre Wiederwahl kämpfen müssen als Republikaner. So prognostizieren die meisten Wahlforscher eher das Gegenteil: einen leichten Ausbau der republikanischen Mehrheit.
Donald Trump hat sich in den Wahlkampf eingemischt wie nur wenige Präsidenten. Und er hat das auf genau jene Art gemacht, die schon 2016 von alten Polithasen belächelt worden war, Trump aber schließlich zum Erfolg geführt hatte: Großveranstaltungen in zig Bundesstaaten in den Wochen vor der Wahl.
Auch Expräsdent Barack Obama und sein früherer Vize Joe Biden sind auf Wahlkampftour gegangen: Aber während sie auf demokratischen Veranstaltungen vor einem Publikum zwischen 500 und 2.000 Personen sprechen, füllt Trump die ganz großen Multi-Arenen mit 18.000 begeisterten Fans und könnte oft ein Vielfaches an Tickets verkaufen.
Den Energieschub, den diese Veranstaltungen seinen Anhängern verschaffen, haben die Wahlforscher bis heute nicht präzise in ihre Analysen der Wahlkampfdynamik einspeisen können.
Die oft beschriebene Verrohung der Sprache einerseits und Polarisierung des Landes andererseits spiegelt sich auch im Wahlkampf wider. Während Trump keine Gelegenheit auslässt, immer und immer wieder vor lateinamerikanischen und eigentlich überhaupt allen Einwanderern zu warnen und Soldaten an die Grenze schicken, das Asylrecht abschaffen, „die Mauer bauen“ will und weiterhin die Medien als „Fake News“ und „Volksfeinde“ denunziert, haben sich auf demokratischer Seite in den Vorwahlen mehr linke Kandidat_innen durchgesetzt als je zuvor. Und: Mehr Frauen denn je bemühen sich um den Einzug in den Kongress.
Die Demokraten hoffen darauf, Frauen, Linke, Liberale, Schwarze, Latinos und alle anderen Minderheiten gegen Trumps Republikaner [3][an die Wahlurnen zu bringen].
Gelingt das, gewinnen sie die Wahl – aber sicher ist das nicht. Hoffnung gibt ihnen, dass sich – unüblich außerhalb von Präsidentschaftswahlen – sehr viele junge Leute erstmals haben registrieren lassen.
4 Nov 2018
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