taz.de -- Merkels Rückzugserklärung und Seehofer: Pfiat di, Herr Minister!

Nach der Hessen-Wahl kündigt Angela Merkel ihren Rückzug vom CDU-Parteivorsitz an. Nun könnte Horst Seehofer alle überraschen.
Bild: Die Tür zur Freiheit steht offen, auch für Horst Seehofer

Lieber Horst Seehofer,

Sie werden es mitbekommen haben (aber vielleicht auch nicht): [1][Angela Merkel tritt zurück]. Nein, nicht, was Sie jetzt denken. Für #MerkelMussWeg (als Twitter-Entrepreneur kennen Sie ja dieses kleine Hashtag-Kreuzerl, nicht wahr?) ist es noch zu früh. Kanzlerin will sie schon noch bleiben. Aber sicher ist, dass die Zonenwachtel beim CDU-Parteitag Anfang Dezember nicht noch einmal antritt. Dass es aus ist mit ihr und ihrer Partei. Basta!, wie der Schlawiner Salvini sagen würde.

Ist das nicht wundervoll? Der Terrier von Templin hört auf. Man könnte nun sagen: Sie, verehrter Horst Seehofer, haben damit ihr Ziel erreicht. Die Frau, mit der Sie bekanntlich „nicht arbeiten“ können, geht endlich nach Hause, Kartoffelsuppe kochen. Und die Medien, diese Hundsfotte, feiern sie dafür auch noch. Was soll man schon erwarten? „Ohne Beispiel ist ihr Stil“, [2][rühmt die Hannoversche Allgemeine Merkel]. Sie habe „modernisiert, aber auch beherrscht“, schreibt der Reutlinger Generalanzeiger. Und [3][die Rheinische Post meint], Merkel bringe „mit ihrem Teilrückzug die CDU wieder in die Offensive“.

Nun folgende Frage: Wäre das nicht auch etwas für Sie? Möchten nicht auch Sie ein Leader sein, der die CSU – Ihre CSU! – wieder in die Offensive bringt? Wie wäre es zum Beispiel mit Rücktritt? Sie könnten es wie das Merkel machen. Aber natürlich besser: Sie bieten Ihren Komplettrücktritt an – CSU-Vorsitz und Bundesinnenministerium in einem Aufwasch. Und dann geht die Party aber ab in München und Berlin. Großes Ehrenwort.

Wie wäre es zum Beispiel heute? Oder morgen – mittwochs müssen Sie ja eh früh aufstehen, halb neun ist Kabinettssitzung. Sie könnten schweren Schrittes ins Kanzleramt zum allwöchentlichen Kasperltheater rüberstapfen, dort Merkel und ihre Vasallen mürrisch anschweigen. Und dann, wenn alle schon ihre Unterlagen zusammenraffen, sich räuspern und zu einer Erklärung ansetzen.

Sie könnten noch mal ausführen, was Ihnen alles angetan worden ist. Die üble Häme wegen Ihres an sich doch recht witzigen „69 Abschiebungen zum 69. Geburtstag“-Späßchens. Der Maaßen-Komplott gegen Sie und diesen ehrenwerten Mann. Das Megaministerium mit all den unübersichtlichen Ressorts; nicht ein fähiger Staatssekretär darunter. Sie könnten praktischerweise wiederholen, was Sie in der Bundespressekonferenz nach der Bayernwahl gesagt haben. Zum Beispiel diesen epischen Satz: „Ich bin ein potentieller Terrormensch.“ [4][Oder, ganz groß]: „Was soll ich noch Machtfragen stellen, können Sie mir das sagen? Ich werde siebzig, ich bin froh, wenn ich mich zu Hause durchsetze.“

Lieber Horst Seehofer, Sie wissen es, Ihre CSU weiß es: Die können Sie gar nicht rausschmeißen. Ihre Amtszeit als Parteivorsitzender währt noch ein Jahr. Sie sind also im Recht, und alle im Münchner Franz-Josef-Strauß-Haus haben auch ein bisserl Angst vor Ihnen. Nutzen Sie also das politische Momentum. Machen Sie's wie Mutti: Treten Sie zurück.

Ein herzliches Pfiat di!

30 Oct 2018

LINKS

[1] /Merkel-zieht-sich-aus-der-Politik-zurueck/!5546277
[2] http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Eine-Frau-ohne-Beispiel
[3] https://rp-online.de/politik/deutschland/angela-merkel-und-die-cdu-zaesur-und-chance_aid-34169725
[4] /CSU-Chef-nach-der-Wahlpleite-in-Bayern/!5540689

AUTOREN

Anja Maier

TAGS

Schwerpunkt Angela Merkel
Horst Seehofer
CDU/CSU
CSU
Schwarz-rote Koalition
CDU
Merkel-Nachfolge
Horst Seehofer
Hans-Georg Maaßen
Hans-Georg Maaßen
Hessen
CDU
Schwerpunkt Angela Merkel
CDU
Horst Seehofer
Schwerpunkt Angela Merkel
CDU/CSU

ARTIKEL ZUM THEMA

Vertrauter von Kramp-Karrenbauer: Der Mann, der sie an die Macht bringt

Nico Lange hat den Wechsel von Annegret Kramp-Karrenbauer von Saarbrücken nach Berlin eingefädelt. Er könnte Geschäftsführer der CDU werden.

Kommentar CDU und Merkel: An der Seitenlinie

Wenn das Kind aus dem Haus geht, ist und bleibt man im Herzen bei ihm. Nicht anders wird es Angela Merkel mit ihrer Partei ergehen.

Kommentar Seehofers Rücktrittsplan: Zeit für Bauchtanz und Gartenverein

Horst Seehofers Rücktrittsankündigung sorgt für Konfusion. Am meisten bei ihm selbst. Dabei könnte es so einfach sein.

Kommentar zum Fall Maaßen: Im neurechten Paralleluniversum

Verfassungschutzchef Maaßen wird politisch wohl kaum zu halten sein. Das sollte auch für seinen Vorgesetzten Horst Seehofer gelten.

Reaktionen auf Maaßens Abschiedsrede: „Wo bleibt der Amtsarzt?“

Noch-Verfassungsschutzchef Maaßen hat die SPD offenbar als teils „linksradikal“ bezeichnet. Nun wächst die Kritik an Innenminister Seehofer.

Abstimmung zur Landesverfassung: Hessen schafft die Todesstrafe ab

Neben den Landtagswahlen haben die Hessen auch über die Reform der Verfassung des Landes abgestimmt. Fast 17 Prozent wollen die Todesstrafe nicht daraus tilgen.

CDU nach Merkels Rückzugserklärung: Die Männerattitüden

Merz, Spahn, Kramp-Karrenbauer: Wenn die CDU Merkels Nachfolge klärt, geht es auch darum, ob Politik wieder zum Gockelspielplatz wird.

Nach Merkels Parteivorsitz-Verzicht: Tick, tack

Angela Merkel versucht ihren Abschied aus der Politik selbst zu lenken. Fragen und Antworten zu ihrer Restmacht.

CDU-Vorsitz nach Merkel: Merz kündigt offiziell Kandidatur an

Bisher hatte er nur sein Umfeld mit der Öffentlichkeit kommunizieren lassen. Nun erklärt Friedrich Merz offiziell, dass er sich um den CDU-Vorsitz bewerben will.

Nach Merkels Verzicht auf Parteivorsitz: Neue Personaldebatte um Seehofer

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz angekündigt hat, richten sich nun die Augen auf Horst Seehofer.

Kommentar Angela Merkels Ausstieg: Ganz großes Finale

Unerwartet und mit Haltung hat Kanzlerin Angela Merkel ihren Ausstieg aus der Politik angekündigt. Wir werden uns noch nach ihr sehnen.

Merkels geplanter Ausstieg aus der Politik: Ein Abgang mit Würde

1999 hat Angela Merkel die CDU in die Befreiung von Kohl geführt. 2018 befreit sie ihre Partei von sich.