taz.de -- Bei Rechten beliebtes Netzwerk „Gab“: Boykott nach dem Pittsburgh-Anschlag

Nach dem Pittsburgh-Massaker verliert der rechtsextrem geprägte Provider Gab seine Web-Domain. Neu war es aber nicht, dass dort Rassisten gedeihen.
Bild: Die reale Tat, die elf Juden und Jüdinnen in Pittsburgh tötete, nahm einen langen, hasserfüllten Anlauf auf Gab.com

Das Attentat [1][auf die Synagoge in Pittsburgh] hat den letzten Anstoß gegeben: Zahlreiche Internetdienste schmeißen Gab raus – ein hoch umstrittenes, weil von Rechtsextremen dominiertes soziales Netzwerk. Der Bezahldienst Paypal kündigte übers Wochenende die Zusammenarbeit auf, die Blogplattform Medium ebenso. Auch GoDaddy, der größte Domainprovider der Welt, drohte Gab.com am Sonntag mit Rauswurf, gab ihnen 24 Stunden, um sich einen neuen Provider zu suchen. Daraufhin nahm Gab seine Seite vom Netz: auf den Toplevel Domains gab.com und gab.ai war am Montag bis Redaktionsschluss dieser Zeitung nur noch ein kahles Statement zu lesen, in dem Gab.com sich als Opfer einer Schmähkampagne beklagt.

Es ist nicht neu, dass Gab.com Rechtsextremen eine Plattform bietet – vielen gilt es als Twitter für Rassisten. Erst die Tatsache, dass der mutmaßliche Pittsburgh-Täter Robert Bowers sich dort antisemitisch äußerte, hat die hektischen Distanzierungen der vergangenen Tage provoziert. Bowers ist angeklagt, am Samstag in Pittsburgh bei einem Angriff auf eine Synagoge elf Menschen getötet und vier weitere verletzt zu haben. Laut Haftbefehl soll er während der Tat Hassparolen gegen Juden gebrüllt haben. Auf Gab.com bezeichnete Bowers Juden als „Kinder des Satans“ und verbreitete regelmäßig antisemitische Inhalte. Unmittelbar vor [2][der Schießerei in der Synagoge] hetzte er auf Gab gegen jüdische „Invasoren“ und schrieb etwas, was einige Medien rückblickend als eine Art Ankündigung der Tat interpretierten.

Extremismusforscher meldeten schon seit Längerem, dass Gab zu einem wichtigen Ort für den Austausch von Hass, Hetze und die Organisation Rechtsextremer geworden ist. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Gab.com Probleme mit Service-Providern hat: 2017 schmissen Apples App-Store und Google Play sie raus. Im August wendete Gab.com gerade noch ab, dass Microsofts Azure Webservices sie nicht mehr als Kunden bedient – indem sie auf massiven Druck zwei antisemitische Posts löschten. Auch für Registrar GoDaddy ist es nicht die erste Distanzierung von einem Kunden: 2017 warfen sie die rechtsradikale Seite Daily Stormer raus, nach einem hämischen Artikel über das Opfer rechtsextremer Ausschreitungen in Charlottesville erschien.

Für gewöhnlich sind es nicht mehr als kleine Stolperschrittchen, mit denen sich große Serviceanbieter im Netz gegen Rassisten und Rechtsextremisten positionieren. Und der harte Kern rechtsextremer User zieht ohnehin einfach weiter zur nächstbesten lasch regulierten Plattform. Das hat sich in Deutschland gezeigt, als diverse rechtsextreme Kanäle auf dem sozialen Netzwerk Discord gelöscht wurden. Ein Katz-und- Maus-Spiel, zäh, ermüdend.

Brandstiftung nicht tatenlos zusehen

Natürlich besteht beim Sperren immer die Gefahr, ein Problem als gelöst zu wähnen, das lediglich aus dem Sichtfeld verschwunden ist. Nur: Tatenlos bleiben angesichts von geistiger Brandstiftung im Netz ist keine Alternative. In Brasilien [3][ist derzeit zu besichtigen], wie über WhatsApp verbreitete Falschinformationen Wahlkämpfe vergiften können. Russische Manipulationsversuche im US-Wahlkampf haben 2016 gezeigt, wie billig man sich qua Facebook-Anzeigen Aufmerksamkeit kaufen kann.

In letzter Zeit sieht es sogar so aus, dass Sperrungen wirksam sein können: Die US-amerikanischen Polemiker Alex Jones und Milo Yiannopoulos etwa haben an Breitenwirkung eingebüßt, nachdem die größten Plattformen und Dienstanbieter [4][sie öffentlichkeitswirksam rausgeworfen haben]. Und das in den USA, wo Meinungsäußerung allenfalls zögerlich beschränkt wird.

Natürlich können die Hetzer sich dann wiederum – wie man nicht zuletzt an dem Gab.com-Statement erkennen kann – als Ziel einer Mainstream-Kampagne bemitleiden. Nur: Wenn sich in den vergangenen Jahren in dem gesamten Gekreisch eines gezeigt hat, dann, dass soziale Medien und Diensteanbieter ihre Mitverantwortung nicht mehr einfach wegschulterzucken können. Sondern auf öffentlichen Druck reagieren. Reagieren müssen. Wenn auch mitunter widerwillig. Viel ist das nicht. Zäh ist es auch. Aber zumindest ein Anfang.

29 Oct 2018

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AUTOREN

Meike Laaff

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