taz.de -- Wahl in Hessen: Strafe für die Große Koalition

Wie schon in Bayern verlieren in Hessen Union und SPD – die Grünen hingegen profitieren vom Misstrauen gegen die Regierung in Berlin.
Bild: Die hessische CDU in Wiesbaden hat keinen Anlass zur Freude

Berlin taz | Als im Konrad-Adenauer-Haus die erste [1][Prognose zur Wahl in Hessen] übertragen wird, rührt sich keine Hand bei den anwesenden Parteimitgliedern und Gästen angesichts der prognostizierten 28 Prozent. Erst als erklärt wird, dass CDU-Spitzenkandidat Volker Bouffier auch die nächste Regierungskoalition anführen könnte, gibt es etwas Applaus und einen pflichtschuldigen Juchzer.

Um die 10 Prozentpunkte haben die Konservativen bei dieser [2][hessischen Landtagswahl] eingebüßt; das ergeben auch die folgenden Hochrechnungen. Angesichts von fünf Jahren ziemlich geräuschloser Regierungsarbeit mit den Grünen ist das eine heftige Klatsche. Kanzleramtschef Helge Braun ist an diesem Abend der Wesir der Königin. Merkels Mann beeilt sich, den anwesenden Medien das Ergebnis als Erfolg der CDU zu verkaufen. Er sehe einen klaren Regierungsauftrag für seine Partei, sagt er im Getümmel. Gefragt nach den Folgen des schlechten Ergebnisses für seine Partei und die SPD, sagt Braun: „Die große Koalition wird zusammenrücken.“

Die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition in Berlin macht auch die CDU-Generalsekretärin zum zentralen Punkt ihrer Erklärung im Konrad-Adenauer-Haus. Der „beherzte Wahlkampf“ der Hessen-CDU habe sich ausgezahlt, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer. „Aber wir als CDU sind mit unserem eigenen Ergebnis nicht zufrieden.“

Interessant ist Kramp-Karrenbauers expliziter Verweis auf die CSU als Verursacherin der Regierungskrise. Innenminister Horst Seehofers Chaostage samt Rücktrittsdrohung und Rücktritt vom Rücktritt nennt die CDU-Frau ein „einschneidendes Ereignis“. Die ebenfalls regierende SPD erwähnt sie nicht einmal.

Der Niedergang der SPD geht auch in Hessen weiter – rund ein Drittel weniger Stimmen hat sie als 2013. Auch der [3][engagierte Wahlkampf von Thorsten Schäfer-Gümbel], auch die Fokussierung auf das Thema Mieten und Wohnen – nichts konnte den Sturzflug verhindern. Im Atrium im Willy-Brandt-Haus warten ein paar Berichtererstatter auf ein Statement der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles. „Bei der Bayernwahl war es noch leerer. Das war ganz obskur“, sagt ein erfahrener SPD-Watcher. Die Wahlparty wurde schon bei der Bayernwahl eingespart – zu teuer.

Um kurz vor sieben kommt SPD-Chefin Andrea Nahles, lobt die „sehr gut aufgestellte SPD in Hessen“ und erklärt, dass die Große Koalition in Berlin verantwortlich für die Niederlage ist. „Wir legen unser Schicksal nicht in die Hände unseres Koalitionspartners“, sagt sie. Es klingt entschieden, wie eine Drohung. Am Montag will Nahles einen Fahrplan für die Groko bis zum Herbst 2019 vorlegen – den die Union offenbar akzeptieren soll. Es ist ein verzweifelter Versuch, aus der Defensive zu kommen. Nahles’ Auftritt dauert zwei Minuten.

28 Oct 2018

LINKS

[1] /Wahl-in-Hessen-Hochrechnung/!5545614
[2] /!t5544216/
[3] /Wahlkampf-der-Hessen-SPD/!5543010

AUTOREN

Anja Maier
Stefan Reinecke

TAGS

Hessen-Wahl
Thorsten Schäfer-Gümbel
Landtagswahl in Hessen
SPD
Hessen
CDU
CDU/CSU
Volker Bouffier
Hessen-Wahl
CSU
Landtagswahl in Hessen
SPD
Landtagswahl in Hessen
Landtagswahl in Hessen
Landtagswahl in Hessen
CDU
Hessen-Wahl
Landtagswahl in Hessen
Thorsten Schäfer-Gümbel
Landtagswahl in Hessen
Bundespräsident

ARTIKEL ZUM THEMA

Schwarz-Grün in Hessen: CDU und Grüne einigen sich

Bei der Landtagswahl in Hessen haben die Grünen ein hohes, die CDU ein tiefes Rekordergebnis eingeholt. Zwei Monate später steht der Koalitionsvertrag.

Koalitions-Vertrag in Bayern steht: CSU mit orangefarbenen Sprenkeln

CSU und Freie Wähler haben ihren Koalitionsvertrag unterschrieben. Auch die Grünen scheinen ihre Handschrift hinterlassen zu haben.

Kommentar SPD nach der Hessenwahl: Los, raus da!

Für die SPD führt kein Weg um die Erkenntnis herum: Sie muss die Regierung verlassen. Der Schritt in die Große Koalition war von Anfang an ein Fehler.

Gastkommentar Zukunft der SPD: Nö, die Sozis braucht keiner

Was wäre eigentlich, wenn sich die SPD auflösen würde? Im Gedankenspiel unseres Gastkommentators gäbe es keine dramatischen Erschütterungen.

Kommentar Parteien und die Hessenwahl: Die Lust am Untergang

CDU und SPD verlieren erneut Prozentpunkte. Vielleicht wäre es das Beste, offen zuzugeben, dass man nicht mehr alle Wähler erreichen kann.

Körpersprache der Politiker in Hessen: Meist trostlos, verkappt wütend

Die SPDler traurig, Grüne und Linke gut gelaunt, CDUler betroffen – mit ihrer Mimik und Körperhaltung spiegeln Politiker das Hessen-Wahlergebnis.

Grüne bei der Landtagswahl in Hessen: Profit durch Pragmatismus

Nach der Bayern-Wahl siegen die Grünen nun auch bei der Wahl in Hessen. Sie können ihre Stimmenanteile beinahe verdoppeln.

CDU bei der Landtagswahl in Hessen: Mit blauem Auge davongekommen

Kein Jubel bei der hessischen CDU, aber Erleichterung: Ohne Volker Bouffier wird im Wiesbadener Landtag gar nichts gehen.

Kommentar Wahl in Hessen: Die grüne Dauerparty

Die Grünen punkten mit Professionalität im Land und Einigkeit im Bund. Bei CDU und SPD schlägt der GroKo-Malus voll durch.

Landtagswahl Hessen: Bleiben oder gehen

Am Sonntag wählt Hessen einen neuen Landtag. Was kann die Wahl für den Bund bedeuten? Die wichtigsten Fragen – und Antworten.

Wahlkampf der Hessen-SPD: Kandidat im Countdown-Modus

SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel will in Hessen der Misere der GroKo trotzen. Er kämpft um eine alte rot-grüne Freundschaft.

ElefantInnenrunde vor Hessen-Wahl: Im Land der Möglichkeiten

Spekulationen über Koalitionen: Vor der Landtagswahl in Hessen traf sich die ElefantInnenrunde der sechs SpitzenkandidatInnen.

CDU-Mann Volker Bouffier: Hessens Mann fürs Schloss Bellevue?

Mit 64 Jahren ist der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier im besten Bundespräsidentenalter. Er würde sich den Job wohl zutrauen.