taz.de -- Die Wahrheit: Der postmoderne Franz

Donnerstag ist Gedichtetag. Diesmal darf sich die geneigte Leserschaft an einem Poem über einen unverwüstlichen Typ von Mann erfreuen.

Franziskus ist ein frommer Wicht,

der gerne zu den Tieren spricht.

Er referiert ganz ohne Scheu

vor Katze, Stockfisch, Wachtel, Koi.

Zeigt Franzi seine Stigmata

ist gleich der halbe Tierpark da.

Er schwadroniert in einem fort,

jedoch: Kein Tier versteht ein Wort.

Die Vögel lauschen zwar voll Wonne

Franziskus’ Singsang von der Sonne,

doch die Bedeutung raffen sie

nicht im Geringsten – dummes Vieh!

Verständnismäßig eher mau

bleibt’s auch bei Blindschleiche und Pfau.

Und fragend blickt ein jeder Lurch,

geht Fränzchen seine Predigt durch.

Egal, wie lang das Nashorn lauscht,

wenn Franz aus seinem Leben plauscht,

es rafft nichts – ebenso das Biest,

dem er schön die Leviten liest.

Auch Käfer schweigen irritiert,

wenn Franz Franz Kafka rezitiert.

Verständnislos blickt selbst der Rochen,

wenn Franz sagt: Hugh, ich hab gesprochen!

Schlicht: Es versteht ihn keine Sau.

Nicht einmal sie, die eigne Frau.

Egal, wie deutlich er auch spricht,

sein liebes Weib erhört ihn nicht:

„Wann kam dir das Verstehn abhanden?“

„Was sagst du, Franz? Hab nicht verstanden.“

Dies Schicksal stimmt ihn müd und müder –

er zieht ins Kloster seiner Brüder.

Heut sieht man Franz als Vorbild an,

als ersten postmodernen Mann:

Er kann nicht nicht kommunizieren.

Mit Frauen nicht und nicht mit Tieren.

4 Oct 2018

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Peter P. Neuhaus

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