taz.de -- Die Wahrheit: Elf Vordenker müsst ihr sein

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Die geneigte Leserschaft darf sich an einem Poem über weltmeisterliche Leitgedanken erfreuen.

„Die Welt ist alles, was der Fall-

rückzieher ist“, ruft Wittgenstein,

dann nimmt er Maß und knallt den Ball

ins linke ob’re Eck hinein.

„Ich denke“, brüllt René Descartes,

„den Zweikampf, den gewinn ich.“

Er foult den Gegner äußerst hart:

„Ich grätsche, also bin ich.“

Die Spielverlagerung gelingt

laut Rilke von den Rändern.

Sein Ruf zum Flügelspieler klingt:

„Du musst dein Passspiel ändern!“

Friedrich Nietzsche, Hooligan,

hat Stadionverbot.

Bengalos? Nein – viel schlimmer, denn

er schrieb: „Fußball ist tot.“

Arthur Schnitzlers Spielprinzip

ist gradheraus und ehrlich,

ein Reigen Schüsse wie ein Hieb:

„Spiel stets wild und gefährlich!“

„Ich sag jetzt mal was Wichtiges!“

Adornos Blick wird schiefer.

Er spricht: „Es gibt kein richtiges

Leben in der Fifa.“

Goethe, just ins Tor gestellt,

hält sich von scharfen Schüssen fern

und staunt, als er mal einen hält:

„Das also ist des Pudels Kern!“

Kant weiß genau: „Die Nachspielzeit

ist Ausgang aus der spiel-

verschuldeten Unmündigkeit.“

Sonst weiß er da nicht viel.

Reservespieler Schiller kaut

vor Wut die Nägel, bis er schielt:

„Der Mensch, Herr Trainer“, ruft er laut

„ist Mensch nur dann, wenn er auch spielt!“

Herr Sokrates nimmt’s mit Humor:

„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

Und ruft als Schiri nach dem Tor

stets: „Videobeweis!“

Für Kaiser Franz ist’s alter Brauch:

WM zu machen, muss sich lohnen.

Wird es gewünscht, dann hilft er auch:

„Wie wär’s mit circa sechs Millionen?“

14 Jun 2018

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Peter P. Neuhaus

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