taz.de -- Kommentar Tory-Parteitag und Brexit: Das Dilemma des Machterhalts

Die Zusammenkunft der Tories in Birmingham dient als Stimmungsbarometer. Wenn May nicht überzeugt, sind ihre Tage gezählt.
Bild: Ist Parteichefin und Premierministerin: Theresa May

Die britischen Konservativen gehen uneins in ihren Jahresparteitag, der am Sonntag in Birmingham begonnen hat. Der Brexit-Plan über eine fortdauernde Anbindung Großbritanniens an die Regeln des EU-Binnenmarkts, den Premierministerin Theresa May im Juli ihrer Regierung aufdrückte, ist in der vorliegenden Form tot: an der Basis unbeliebt, von Brüssel zurückgewiesen, im Parlament chancenlos. Brexit-Rebellen um Boris Johnson drängen jetzt auf einen neuen Vorstoß zu einem Freihandelsabkommen mit der EU nach Ceta-Vorbild – oder eben einen Austritt ohne Vertrag.

Eine Entscheidung darüber fällt der viertägige Parteitag nicht, auch nicht über den Verbleib Mays als Parteichefin und damit als Premierministerin. Die Zusammenkunft dient aber als Stimmungsbarometer. Wenn May nicht überzeugt, sind ihre Tage gezählt.

Die Konservativen sind zwar keine ideologische Partei, sondern ein Apparat zum Zweck des Machterhalts. Und normalerweise eint sie dieser Zweck. Aber wenn der Machterhalt ungewiss ist, spaltet er sie. Das Erstarken einer selbstbewussten linken Opposition hat die Tories in Selbstzweifel getrieben. Sie brauchen daher zumindest eine Führung, die nicht den Selbstzweifel personifiziert. Was bei May ehrlich gemeint ist, ist für die Partei Gift.

Sind die Tories jetzt also reif für einen Schauspieler wie Boris Johnson, der Optimismus ausstrahlt und immerhin zweimal Bürgermeister der Labour-Hochburg London wurde? Wahrscheinlich kommt der Parteitag dafür doch zu früh. Denn neue Machtkämpfe sind das Gegenteil von dem, was das Land braucht, um einen klaren Kurs zu finden. Nachdem [1][seit dem Labour-Parteitag] die Labour-Opposition in den Umfragen überraschend zurückfällt, auf die niedrigsten Werte seit den Wahlen 2017, könnte Geschlossenheit den Konservativen mehr nützen als Streit.

Wahrscheinlich werden die Tory-Größen daher doch alle wie ein Mann um May stehen. Allerdings so eng, dass sie gar nicht mehr wissen wird, wo sie selbst steht.

30 Sep 2018

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Dominic Johnson

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