taz.de -- Kolumne Lügenleser: Das ist doch Wahnwitz

Hans-Georg Maaßen wird nun auf einen anderen Posten versetzt? Vertrauen in die Regierung stellt auch das nicht wieder her.
Bild: Hans-Georg Maaßen: Abteilungsleiter in spe

Abteilungsleiter ist er jetzt also. Der Mann mit der kleinen Brille und dem immer etwas feisten Grinsen. Stolz verkündet Andrea Nahles, Vorsitzende einer ehemals sozialen Volkspartei, dass man sich nun geeinigt habe. Toll! Der Mann, der den Verfassungsschutz seit Jahren von einem Skandal in den nächsten manövrierte und schon 2015 unumwunden zugab, „wir sind ein geheimer Nachrichtendienst, wo man fast sagen kann: Bei uns kann man das machen, was man schon immer machen wollte, nur ist es legal“, wird weitergeschoben.

Für Polit-Experten mag das einen Unterschied machen. Welchen bleibt dahingestellt. Für Maaßen sicherlich auch, immerhin wäre der von Merkel, Seehofer und Nahles ursprünglich geplante Posten des Staatssekretärs die Erfüllung eines Karrieretraums gewesen, schon während der Koalitionsverhandlungen hatte er auf den Job gehofft. Vielleicht ist er nun ein bisschen traurig.

Dass die EntscheiderInnen in dieser Affäre aber tatsächlich glauben, mit der neuen Lösung (anderer Posten, nicht mehr Geld als zuvor) wäre die Sache vom Tisch, ist Wahnwitz. Beinahe stolz erklärte Seehofer, Maaßen bleibe auf Besoldungsstufe B9. Aha, danke für die Info, es gibt also weiterhin 11.500 Euro statt circa 14.000. Das ist natürlich ein Unterschied. Wie um alles in der Welt soll das für einen „normalen“ Bürger nachvollziehbar sein? Ob der Mann jetzt Staatssekretär oder Abteilungsleiter wird, was macht das für einen gottverdammten Unterschied? Wer aus dem Wahlvolk (ich schließe mich da nicht aus) weiß überhaupt, was die konkreten Aufgaben eines Staatssekretärs oder Abteilungsleiters sind?

Immerhin im Falle des Letzteren wurde jetzt einiges bekannt. Maaßen ist zukünftig zuständig für die Aushandlung von Rückführungen von Asylbewerbern oder Vereinbarungen mit afrikanischen Staaten in der Flüchtlingspolitik. Migrations- und Flüchtlingsfragen also. Das ist toll, immerhin fiel der einzige Mensch, bei dem man tatsächlich glauben könnte, dass es sich um einen Reptiloid handelt, bereits 1997 negativ in diesem Bereich auf.

Von Berufs wegen zu Objektivität verpflichtet

In seiner Dissertation fielen so wunderbare Begriffe wie „Asyltourismus“. Der eigentlich von Berufs wegen zu Nüchternheit und Objektivität verpflichtete Jurist beschrieb damals schon Untergangsszenarien, die man heute von dem alten Mann mit der Dackelkrawatte und dem wutstampfenden BDM-Fangirl aus der AfD-Fraktion kennt. Bereits vor über 20 Jahren erklärte er, dass für eine „restriktive Flüchtlingspolitik erhebliche, noch unausgeschöpfte Spielräume bestehen“.

Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident und jetzige Abteilungsleiter ist nichts anderes als eine Gefahr für dieses Land. Wenn die Politik (und insbesondere die SPD) wirklich glaubt, dass man durch eine erneute Versetzung dieses offensichtlich mit Rechtspopulisten sympathisierenden Quälgeists Vertrauen wieder herstellt, ist sie noch weiter entfernt vom sogenannten Bürger als es die AfD seit Jahren behauptet. Klingt traurig, ist aber so.

24 Sep 2018

AUTOREN

Juri Sternburg

TAGS

Bundesamt für Verfassungsschutz
Hans-Georg Maaßen
SPD
Schwarz-rote Koalition
Lügenleser
Freistaat Bayern
Hans-Georg Maaßen
Hans-Georg Maaßen
Lügenleser
Schwerpunkt AfD
Schwarz-rote Koalition
Hans-Georg Maaßen
Hans-Georg Maaßen

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Lügenleser: Alte Herren mit Splittern im Kopf

Früher galten Kriegstraumata als Entschuldigung für sonderbare Männer. Bei Merz und Trump scheint jedoch einfach die Zeit stehengeblieben zu sein.

Kolumne Lügenleser: Bayern schafft sich ab

Lange mussten bayerische Politiker sich um so etwas wie Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen nicht sorgen. Jetzt ist die Verzweiflung groß.

Umstrittener Verfassungsschutzchef: Maaßen vor dem Rauswurf

Neue Wendung im Fall des Verfassungsschutzchefs Maaßen: Er soll doch nicht ins Innenministerium wechseln – sondern entlassen werden.

SPD verliert die Geduld: Maaßen ist immer noch nicht weg

„Zügig“ sollte Verfassungsschutzchef Maaßen abtreten. Nun ist er noch immer im Amt – und legt zu Chemnitz nach. Die SPD zeigt sich empört.

Kolumne Lügenleser: Die Höcke-Bewacher der Buchmesse

Am Freitag hielt Björn Höcke eine Veranstaltung bei der Frankfurter Buchmesse ab. Polizei und Veranstalter verhinderten Proteste und Berichterstattung.

AfD und Verfassungsschutz: Die Angst vor der Panik

Den Rechtspopulisten droht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Das löst in der Partei einen Aktionismus aus, der nicht allen gefällt.

Kommentar Entscheidung zu Maaßen: Nichts ist gut an dieser Regierung

Inkompetenz und Peinlichkeit: Der Kompromiss in der Personalsache Maaßen lässt die Große Koalition denkbar schlecht aussehen.

Einigung im Koalitionsstreit um Maaßen: Regelmäßige Treffen angekündigt

Die SPD ist zufrieden mit der Einigung zu Maaßens Posten. Die Kanzlerin räumt Fehler ein – die Korrektur sei richtig. Die Opposition kritisiert den Kompromiss.

Groko-Streit um Maaßen: Wohin mit dem Problemspitzel?

Innenminister Seehofer will Maaßen nicht entlassen. Die Koalition werde an der Causa Maaßen nicht scheitern, sagt die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles.