taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Tesla gegen das menschliche Maß

Das Tesla Model X sieht nicht nur heftig aus, das E-Auto hat eine Reichweite von bis zu 560 Kilometern. Warum es Ökolinke trotzdem blöd finden.
Bild: Sie finden Model X futuristisch? Elon Musk versprach für das neue Model gar einen Raketenantrieb

Das ist doch nur ein Auto, dachte ich, als ein Bekannter zu einer Tesla-Fahrt durch Berlin einlud. Und dann steht plötzlich das Monster vor mir: Tesla Model X, ein SUV mit Allradantrieb, ein paar Zentimeter größer als ich, zwei Meter breit, [1][mit seinen aufschwingenden Flügeltüren] kommt es direkt aus der Zukunft.

Während wir fahren, ruckelt das Auto heftig auf der Sonnenallee, einer oft chaotisch befahrenen Straße in Berlin-Neukölln. Und erst dann merke ich, dass gerade nicht der Fahrer sondern der Autopilot fährt. Denn der Tesla ist teilautomatisiert! Gut, das klingt jetzt nicht so cyber wie vollständig „autonom“. Aber das Auto kann die Spur halten, dem voranfahrenden Wagen folgen oder nach Aufforderung selbstständig die Spur wechseln, am besten klappt das alles auf der Autobahn.

Und auf einmal packt mich die Tesla-Begeisterung. Ich schicke ein Dutzend Videos an Freunde, die antworten nur streng: „Pass auf“ und „Hast du keine Angst?“ Nein, ich glaube an den technischen Fortschritt. Wenn ich dieses Auto besitzen würde, wären meine Ängste ökonomisch: Beispielsweise gehackt zu werden, so wie belgische Forscher vergangene Woche zeigten, [2][dass sie einen Tesla in nur zwei Sekunden öffnen können]. Oder dass Tesla pleite geht, und das mit dem Internet verbundene Auto ohne Softwareupdates und Server nutzlos wird. Oder dass das Auto während wir parken, angezündet wird. Nicht, weil das Auto ein Tesla ist, sondern wegen des BaWü-Kennzeichens.

In Neukölln bekommen wir die krassesten Blicke. Spätiverkäufer, Bier trinkende Touris, Kraftfahrer, Ampelüberquerer, alle glotzen. Der Tesla ist eben auch ein Statussymbol. Obwohl das Elektroauto eine Reichweite von bis zu 560 Kilometern hat und sich als Siebensitzer prima für Fahrgemeinschaften eignen würde, ist seine Zielgruppe gerade nicht das öko-linke Milieu. Vielen ist der Tesla zu protzig, zu amerikanisch und [3][Tesla-Chef Elon Musk], der auch Paypal und die private Raumfahrtfirma SpaceX mitgründete, ein zu böser Kapitalist und „Großkotz“. Er versprach gar einen Raketenantrieb für das neue Tesla Model. Turbokapitalist.

Gegen das menschliche Maß

Vielleicht sind viele Linke auch einfach zu technikfeindlich. Dystopien, dass Roboter und autonome Maschinen irgendwann die Menschheit bekämpfen werden, sind natürlich Quatsch. Doch man muss sagen, Tesla Model X kämpft tatsächlich ein bisschen gegen das menschliche Maß.

Im Auto wird einem schlecht, wenn man zu lange auf den riesigen Bildschirm der Heckkamera guckt. Ständig stoßt man sich an den futuristischen Flügeln den Kopf. Man darf bei dem 120.000 Euro teurem Auto die vorderen und hinteren Türen nicht gleichzeitig öffnen, weil sie sich sonst verkeilen. In den zugeparkten Seitenwegen kommt der breite Tesla nicht klar. Beim Parken ragt das Ding fast einen halben Meter auf die Fahrbahn. Es verstopft die Stadt. Am Ende ist der Tesla dann eben doch nur ein ganz normales Auto.

19 Sep 2018

LINKS

[1] https://www.youtube.com/watch?v=rOP0JleFcOE
[2] https://www.esat.kuleuven.be/cosic/fast-furious-and-insecure-passive-keyless-entry-and-start-in-modern-supercars/
[3] /!5524148/

AUTOREN

Svenja Bednarczyk

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