taz.de -- Rechtswidrige Abschiebung aus Bayern: Uigure illegal ins Flugzeug gesetzt

Bayern hat rechtswidrig einen 22-jährigen Uiguren nach China abgeschoben. Seit der Ankunft des Mannes gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihm.
Bild: Ein 22-Jähriger wurde in ein Flugzeug nach Peking gesetzt, obwohl über seinen Asylfolgeantrag noch nicht entschieden war

München afp/dpa | Die bayerischen Behörden haben offenbar rechtswidrig einen zur Minderheit der Uiguren zählenden 22 Jahre alten Asylbewerber nach China abgeschoben. Das geht aus der Antwort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Margarete Bause hervor. Seit der Ankunft des Manns gebe es kein Lebenszeichen mehr von ihm, [1][berichtete der Bayerische Rundfunk (BR) am Montag.] Womöglich befinde sich der zuletzt in München lebende Mann im Gefängnis.

Die Abschiebung nach Peking erfolgte dem Bericht zufolge wenige Stunden vor einem Termin am 3. April, bei dem der Mann seinen Asylfolgeantrag hätte mündlich begründen müssen. Hintergrund sei eine Behördenpanne. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe an die zuständige Ausländerbehörde zwar ein Fax mit dem Hinweis auf den Termin geschickt. Dieses Fax sei aber wohl nicht angekommen.

Die Ausländerbehörde teilte dem Sender mit, das Fax sei „trotz intensiver Recherche bis heute nicht aufgefunden worden“. „Es haben umfangreiche Nachermittlungen stattgefunden, die leider ebenfalls nicht zur Aufklärung geführt haben“, hieß es weiter.

Die Behörde bestätigte, dass ein Fehler vorliege. „Wir bedauern sehr, dass eine Abschiebung trotz eines wirksam gestellten Asylfolgeantrags erfolgt ist – es war nie die Absicht der Ausländerbehörde München, die Rechte des von der Abschiebung betroffenen Ausländers zu verkürzen.“ Auch das Bamf bestätigte demnach grundsätzlich, dass eine Abschiebung rechtlich in einer solchen Konstellation unzulässig sei.

Leben und Tod

Die Uiguren werden in China verfolgt. Nach Einschätzung des vom BR zitierten Experten Adrian Zenz gibt es zur Zeit wieder schwere Verfolgungen der religiösen Minderheit. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), sagte dem Sender, „wegen der aktuellen Lage ist die Abschiebung eines Uiguren nach China nicht zumutbar.“

Was mit dem Mann nach seiner Ankunft in Peking geschehen ist, wissen dem Bericht zufolge weder die bayerischen Behörden noch sein Anwalt. Dieser sagte dem BR, es sei zu befürchten, dass sein Mandant inhaftiert wurde.

Bause kritisierte den Fall als „skandalösen Fall von Behördenversagen“. Das Auswärtige Amt müsse den Mann finden und zurückzuholen. „Es geht um Leben und Tod“, sagte Bause. Nach Recherchen des britischen Economist könnten in Xinjiang seit 2016 bis zu eine halbe Million der ethnischen Minderheit der Uiguren in Arbeits- und Umerziehungslagern verschwunden sein. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geht von massiven Menschenrechtsverletzungen aus.

Der erste Asylantrag des 23-Jährigen war 2016 abgelehnt worden, weil er nach Einschätzung des Bundesamts legal mit einem gültigen Reisepass aus China ausgereist war und damit mutmaßlich nicht verfolgt.

[2][Erst vor Kurzem hatte der Fall eines Afghanen für Aufsehen gesorgt], der Anfang Juli mit einem Charterflug aus München in sein Heimatland abgeschoben worden war. Zwei Wochen später wurde bekannt, dass der 20-Jährige wegen eines laufenden Verfahrens am Verwaltungsgericht Greifswald zu diesem Zeitpunkt nicht hätte abgeschoben werden dürfen. Er hatte gegen die Ablehnung seines Asylantrags geklagt. In der Woche nach der Abschiebung hätte der Flüchtling vor Gericht angehört werden sollen.

6 Aug 2018

LINKS

[1] https://www.br.de/nachrichten/bayern-schiebt-uiguren-zu-unrecht-nach-china-ab-100.html
[2] /Zu-Unrecht-abgeschoben/!5518220

TAGS

Abschiebung
Uiguren
China
Bayern
Schwerpunkt Flucht
Uiguren
Daniel Günther
China
Uiguren
Schwerpunkt Afghanistan
Horst Seehofer
Sami A.

ARTIKEL ZUM THEMA

Asylpolitik im Freistaat: Bayern will per Charter abschieben

Die Landesregierung in München plant eine Sammelabschiebung nach Italien. Italiens Innenminister Salvini droht, dann die Flughäfen zu sprerren.

China weist UN-Vorwürfe zurück: Eine Provinz wird zum Gefängnis

In China werden die muslimischen Uiguren mit großer Härte unterdrückt. Bis zu drei Millionen Menschen werden in Lagern festgehalten.

Abschiebungen von Asylbewerbern: Fachkräftemangel – made by Union

Ist es sinnvoll, gut integrierte Asylbewerber abzuschieben? Nein, findet der CDUler Daniel Günther – und stößt damit eine Debatte an.

Muslimischen Minderheiten in China: Eine Million Uiguren festgehalten

China geht mit zunehmender Härte gegen Muslime vor. Die UN sprechen von einem Internierungslager. Die Staatsmedien nennen ein „kompliziertes Thema“.

Kommentar Abschiebung eines Uiguren: Adilie muss zurückgeholt werden

Wegen einer Fax-Panne wurde ein Uigure rechtswidrig nach China abschoben. Bayerns Innenminister Herrmann verhält sich nach der Devise: Weg ist weg.

Abschiebungen nach Afghanistan: Nur Bayern schickt rigoros zurück

Seit Anfang Juni darf jeder abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan in seine Heimat geschickt werden. Nicht alle Bundesländer nutzen die Regelung – nur Bayern.

Aktivistin über Seehofers Ankerzentren: „Mit Würde behandelt werden“

Jane Abuya aus Kenia hat mit der Initiative „Women in Exile“ Seehofers Ankerzentren in mehreren Städten besucht. Die Tour endet am Samstag in Potsdam.

Der Anwalt von Sami A. über den Fall: „Das wurde heimlich vorbereitet“

Der Anwalt des abgeschobenen Tunesiers Sami A. erhebt schwere Vorwürfe gegen Deutschland. Es gebe inoffizielle Absprachen mit Tunesien, vermutet Seif Eddine Makhluf.