taz.de -- Pilotprojekt in Edeka-Filiale: Eine Mehrwegdose für die Wursttheke

Edeka führt an seinen Frischetheken ein Pfandsystem ein, um Müll zu reduzieren. Umweltorganisationen zeigen sich erfreut.
Bild: Mehrwegdose statt Einwegtüte: Die Supermarktkette Edeka macht etwas gegen den Verpackungsmüll

Berlin taz | Mehrweg statt Einweg. Dieses Prinzip soll in Zukunft die Frischetheken der Supermarktkette Edeka nachhaltiger machen. Das Konzept läuft in einem Praxistest in Büsum an – und [1][stößt auf bundesweites Interesse]. Kunden haben in der Filiale die Möglichkeit, anstelle der herkömmlichen Verpackung aus Plastik und Papier, Wurst und Käse in einer Mehrwegdose mit nach Hause zu nehmen. Das Pfandsystem soll die Müllproduktion an den Theken reduzieren.

Zum Konzept: Kunden können je nach Größe, für vier bis fünf Euro eine Mehrwegdose erstehen. In dieser wird der Einkauf dann verstaut. Zum nächsten Besuch an der Frischetheke bringt der Kunde die benutzte Dose mit und wirft sie in eine Sammelbox. Diese wird im Anschluss von einer Industriespülmaschine im jeweiligen Supermarkt gewaschen. Für den neuen Einkauf erhält der Kunde dann eine saubere Dose. „Eine Nutzung von privaten Dosen ist bei diesem System aufgrund von behördlichen Hygienevorschriften nicht möglich“, erklärte Kerstin Hastedt, Pressesprecherin der Supermarktkette. Die Reinigung vor Ort sei mit dem zuständigen Veterinäramt abgestimmt, sagte sie der taz.

Dennoch werden die Frischetheken durch das Konzept nicht automatisch müllfrei. Kunden können weiterhin zur herkömmlichen Verpackung aus Plastik und Papier greifen. Jene, die sich für eine Pfanddose entscheiden, können auf Wunsch Trennblätter zwischen die Sorten legen lassen. Aus welchen Materialien die Boxen bestehen, wo und wie sie hergestellt werden und wie lang eine Dose im Durchschnitt hält, bis sie durch eine neue ersetzt werden muss, beantwortete Edeka der taz nicht.

„Das Thema Verpackungen gehört seit 2015 zu den Schwerpunktthemen von Edeka im Rahmen der Partnerschaft für Nachhaltigkeit mit der Umweltorganisation WWF“, erklärte Hastedt der taz. Dabei verfolge die Kette das übergeordnete Ziel seinen ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Dies soll durch drei Schritte erreicht werden: Vermeidung, Mehrweg und Recycling. Neben der Verwendung von recycelbaren Materialien sei der Kette auch die Aufklärung der Verbraucher ein wichtiges Anliegen, so Hastedt. Deutschland ist offiziell Verpackungsmüllweltmeister – nicht nur Edeka beteiligt sich am Kampf gegen die Plastikmüll-Berge. Zunehmend verbannen Supermärkte Kunststoff-Wegwerfprodukte aus ihren Regalen. Strohhalme, Plastikbecher und -Besteck sollen in Zukunft nicht mehr im Sortiment zu finden sein, [2][kündigten unter anderem die Ketten Rewe und Lidl an].

Wie nachhaltig die Dose selbst ist, verrät Edeka nicht

Produkte in Papier verpackt, werden sie meist zusätzlich von einer Plastikfolie umschlossen. Plastik ist praktisch und bequem – und das sind die meisten Kunden auch. Doch das Kunststoffprodukt hat eine Schattenseite, die schwer wiegt. Nach Angaben der Organisation „Seas at Risk“ gelangen aus der EU jährlich rund [3][100.000 Tonnen Plastik ins Meer]. Und auch in Deutschland sind die Folgen des Mülls zu spüren: In Flüssen wurden [4][Mikroplastikpartikel nachgewiesen], außerdem werden durch die Verbrennung von Plastik [5][Schadstoffe freigesetzt].

Marina Beermann ist Mitarbeiterin des WWF und der Überzeugung, dass Menschen beim Einkauf selbst einen Beitrag zur Reduzierung des Verpackungsbergs leisten wollen. Die Mehrwegdose sieht Beermann als ersten Schritt: „Sie stellt einen sinnvollen Ansatz dar, der es ermöglicht, ganz einfach selbst aktiv zu werden.“

Ob das System bundesweit umgesetzt wird, ist unsicher. Die selbstständigen Kaufleute entscheiden für ihre Filialen – eine allgemeine Regelung wird es nicht geben. Doch der Vorreiter in Büsum laufe gut, so Hastedt. Es sei geplant das Projekt auf Dauer fortzuführen – sofern die Kundennachfrage bestehen bleibt. Die Mehrwegdose stößt auf großes Interesse [6][in den sozialen Netzwerken] und überregionalen Medien: „Edeka testet ein Pfandsystem mit Mehrwegdosen statt Plastiktüten. Finden wir großartig!“, schreibt beispielsweise die [7][Umweltorganisation Same Oceans] auf Twitter. Mehrweg statt Einweg, ein lobenswertes Konzept – doch auch das braucht Menschen die es annehmen und umsetzen.

2 Aug 2018

LINKS

[1] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/edeka-testet-mehrweg-dosen-an-der-wursttheke-a-1221094.html
[2] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/plastikmuell-rewe-und-lidl-stoppen-verkauf-von-plastik-strohhalmen-1.4040301
[3] http://www.seas-at-risk.org/15-eu-marine-strategy/791-seas-at-risk-launches-a-campaign-to-save-eu-seas-by-2020-emojiocean.html
[4] http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/fluesse-in-deutschland-mikroplastik-an-allen-messstellen-nachgewiesen-a-1198230.html
[5] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/probleme-beim-recycling-wettkampf-um-den-muell-1.1975245
[6] https://twitter.com/SarahMariaBrech/status/1024947003032256513
[7] https://twitter.com/OceansSame/status/1024958360268038144

AUTOREN

Charlotte Köhler

TAGS

Verpackungen
Verpackungsmüll
Edeka
Supermarkt
Pfand
Obst und Gemüse
Plastik
Plastik
dm
Plastikmüll
Abfall
Müll
Müll
Coffee to go

ARTIKEL ZUM THEMA

Gemüse ohne Folie wird schlecht: Ohne Plastik noch mehr Müll

Derzeit landen mehr Gurken als üblich im Müll, weil sie ohne Plastikfolie den Transport aus Spanien oft nicht heil überstehen.

Unverpackt ist teuer: Plastikflut im Obstregal

Immer mehr Früchte und Gemüse gibt es plastikverpackt zu kaufen. Das zeigt eine neue Studie der Verbraucherzentrale. Discounter sind die schlimmsten.

Plastikverpackungen für Lebensmittel: Giftstoffe und Plastikberge

Im Verpackungsmaterial für Lebensmittel tummeln sich Stoffe, deren Schädlichkeit nur schwer zu bewerten ist. Einige Forscher fordern strengere Gesetze.

Drogerie testet Abfüllen statt Verpackung: O’zapft is

Eine Drogeriekette bietet seit neuestem Waschmittel zum selbst Abfüllen an. Der Verzicht auf die Pastikverpackung ist erst einmal als Testlauf gedacht.

Vermüllung der Erde mit Plastik: Abgabe für Einwegbecher

Die Grünen legen einen Aktionsplan gegen Plastikmüll vor: Der Verpackungsabfall soll bis 2030 halbiert werden – mit einer Abgabe auf Wegwerfprodukte.

Flandern und der Müll: Die Bloß-nicht-Wegwerf-Gesellschaft

Deutschland recycelt fast wie ein Weltmeister. In Flandern läuft es anders – dort vermeidet man den Müll, wo es nur geht.

Umweltbundesamt zu Müll in Deutschland: EU-weit größter Verpackungssünder

Kein anderer EU-Mitgliedstaat produziert pro Kopf so viel Verpackungsmüll wie Deutschland. Außerdem wird beim Recycling ein wichtiger Rohstoff komplett übergangen.

Verbot von Plastikmüll: Wie man den Müllberg reduziert

72 Prozent der Deutschen fänden ein Verbot von Plastikgeschirr gut. Sieben Strategien gegen Plastik – und wo es nicht ohne geht.

Becher aus Bambus: Ökolüge to go

Trinkgefäße aus Bambus gelten als bio. Sie enthalten aber synthetische Kunststoffe wie Melaminharz, Harnstoff-Formaldehyd-Harz oder Polylactate.