taz.de -- Teilerfolg für Ex-Chefin des Bremer Bamf: Bandenmäßig vorverurteilt
Gerichtsbeschluss in Bremen: Bundesinnenministerium darf nicht mehr behaupten, in der Bamf-Außenstelle sei „bandenmäßig“ und „kriminell“ gearbeitet worden.
BREMEN taz | Vieles ist über Ulrike B. gesagt, vieles behauptet worden. Fast einstimmig bezeichneten Medien ihr Handeln und mögliche Unregelmäßigkeiten in Bremen [1][als „Skandal“]. Nun hat die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vor dem Verwaltungsgericht Bremen einen Teilerfolg erstritten. In einer einstweiligen Verfügung entschied das Gericht am Mittwoch, dass aus dem Bundesinnenministerium vorläufig nicht mehr behauptet werden darf, die Vorgänge in Bremen seien auch deshalb möglich gewesen, „weil hochkriminell kollusiv und bandenmäßig mehrere Mitarbeiter mit einigen Rechtsanwälten zusammengearbeitet haben“.
So hatte es Stephan Mayer (CSU), Staatssekretär beim Bundesinnenministerium, in der Sendung „Anne Will“ am 27. Mai behauptet. Ulrike B. sah sich unzulässig vorverurteilt sowie ihre Beamtenrechte und die Loyalitätspflichten durch den Dienstherrn verletzt.
Bezüglich einer weiteren Aussage des Bundesinnenministeriums hat das Gericht dem Unterlassungsantrag von B. indes nicht stattgegeben: Dass im Ankunftszentrum Bremen „bewusst gesetzliche Regelungen und interne Dienstvorschriften missachtet wurden“, hatte das Bundesinnenministerium in einer Pressemitteilung anlässlich des Revisionsberichts am 11. Mai erklärt. Diese Äußerung habe das Gebot der Sachlichkeit beachtet, so das Gericht. Zwar habe Ulrike B. einen Ansehensverlust erlitten. Angesichts der Medienberichterstattung habe aber das Interesse überwogen, die Öffentlichkeit zu informieren.
Seit Mitte April 2018 war über Ermittlungen wegen möglicher Rechtsverstöße und Korruption in der Bremer Außenstelle des Bamf unter dem Stichwort „Bamf-Skandal“ berichtet worden. B. habe dort in ihrer Zeit als Leiterin angeblich in Zusammenarbeit mit drei Anwälten in mindestens 1.200 Fällen unrechtmäßig Asyl erteilt. Ganze Busladungen von Asylbewerbern seien dafür nach Bremen gekarrt worden, so die Vorwürfe.
Wenig übrig von den Vorwürfen
Vier Monate später ist davon [2][nicht mehr viel übrig]. Rund 4.500 Akten hat die Innenrevision bislang untersucht. Nur 13 Asylentscheidungen sind seitdem aufgrund falscher Angaben kassiert worden, vier weitere wurden widerrufen, bei 16 laufen noch Rücknahme- und Widerrufsverfahren. Dass Busse für Asyl-Entscheidungen nach Bremen fuhren, war normal und gewollt, in Zeiten der Überforderung 2015 sollte Bremen anderen Außenstellen aushelfen. Ohnehin ging es in vielen der inkriminierten Fälle um JesidInnen, denen 2015 ein Völkermord drohte und deren Schutzberechtigung bis heute außer Frage steht.
Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, der Ulrike B. vor dem Verwaltungsgericht vertrat, erklärte nach dem Beschluss: „Entgegen der Behauptung des Bundesinnenministers tragen die bisher bekannt gewordenen Ergebnisse der internen Revision die Verdächtigungen nicht. Bislang ist völlig offen, ob die Ermittlungen die öffentlich geäußerten Verdächtigungen bestätigen werden.“
Der Sprecher des Bremer Verwaltungsgerichts, Rainer Vosteen, erklärte, über die Berechtigung der Vorwürfe sei mit dem Beschluss von Mittwoch noch nichts gesagt: „Es ging um eine Abwägung zwischen den Interessen der Behördenleitung, die sich erklären muss, und denen der Beamtin.“ Die Äußerungen des Staatsseketärs Mayer hätten die Grenze überschritten, weil Mayer scheinbar feststehende Sachverhalte geschildert hatte, die noch nicht aufgeklärt worden seien. Anders habe es sich bei der von B. beanstandeten Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums verhalten. Diese sei objektiver und zurückhaltender gewesen.
B.s Rechtsanwalt Eisenberg erklärte der taz, er sei mit dem Beschluss des Gerichts in dieser Form nicht einverstanden. Er bezog sich dabei auf die Aussagen in der Pressemitteilung anlässlich des Revisionsberichts. Ulrike B. sei weder von der Bundesregierung noch von der internen Revision dazu gehört worden. „Wir haben den Revisionsbericht erst am 25. Juni im Zuge der Akteneinsicht bekommen“, sagte Eisenberg der taz. Daraufhin habe B. dazu Stellung bezogen und sei dem Revisionsbericht „umfassend entgegen getreten.“ Nach Auffassung Eisenbergs dürfte das Innenministerium daher die Aussage, B. habe gesetzliche Regelungen und Dienstvorschriften missachtet, heute so nicht mehr äußern – weil es durch die Aussage B.s nun schlauer sei.
Der Gerichtsbeschluss ist noch nicht rechtskräftig. Ob B. dagegen Beschwerde einlegen wird, sei noch nicht entschieden, so Eisenberg.
1 Aug 2018
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