taz.de -- Umstrittene Abschiebung von Sami A.: Die Richter wurden ausgetrickst

Das Verwaltungsgericht wollte im Fall Sami A. unbedingt vor seiner Abschiebung nach Tunesien entscheiden. Doch die Richter wurden getäuscht.
Bild: Im Fall Sami A. wurde die Justiz vom zuständigen Ministerium geblendet

Die NRW-Landesregierung hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wohl gezielt in die Irre geführt, um die Abschiebung des Tunesiers Sami A. durchführen zu können. Verantwortlich ist Landesflüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP).

Sami A. gilt als islamistischer Gefährder und sollte deshalb abgeschoben werden. Vor langer Zeit soll er Teil der Leibgarde Osama bin Ladens gewesen sein. Seiner Abschiebung stand bisher entgegen, dass ihm in Tunesien Folter droht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) widerrief aber Ende Juni dieses Abschiebungshindernis, wogegen Sami A.s Anwältin Seda Basay-Yildiz beim Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen klagte. Das entschied am Donnerstagabend, dass die Abschiebung weiterhin nicht zulässig ist, stellte den Beschluss aber erst Freitagfrüh per Fax zu – als Sami A. schon im Flugzeug saß.

Es spricht viel dafür, dass das Land NRW die Richter gezielt unvollständig informiert hat, um eine rechtzeitige Intervention zu verhindern. Bereits 2014 hatten die Richter einen ähnlichen Widerrufsbeschluss des Bamf kassiert. Deshalb bestand wohl die Befürchtung, dass die Richter auch diesmal nicht mitmachen. Und so kam es dann ja auch – aber eben zu spät.

Das Gericht war sehr daran interessiert, dass sein Beschluss rechtzeitig erfolgt. Als es in den Akten den Hinweis auf einen Abschiebungstermin am Donnerstagabend fand, fragte es am Mittwoch beim Bamf als beklagter Prozesspartei nach. Daraufhin informierte sich das Bamf beim NRW-Flüchtlingsministerium, das für die Abschiebung zuständig ist, und erhielt die (korrekte) Auskunft, dass der Donnerstag-Flugtermin storniert worden sei. Dass das Land zugleich bei der Bundespolizei um einen Einzel-Charterflug für Freitagmorgen gebeten hatte, verschwieg das Land dem Bamf. Deshalb teilte das Bamf dem Gericht den eigentlich geplanten Abschiebetermin nicht mit, sodass sich das VG Zeit ließ; zu viel Zeit. Im Ergebnis war die Täuschung der Richter also erfolgreich.

Treuherzige Pressemitteilung des Ministers

Der Vorgang macht zweierlei deutlich: Das Land wusste spätestens durch die Bamf-Nachfrage, dass es noch ein Verfahren beim VG Gelsenkirchen gab, von dem die Rechtmäßigkeit der Abschiebung abhängt. Außerdem wusste das Land, dass das Gericht Wert darauf legte, vor der Abschiebung zu entscheiden.

Dennoch wurde die Abschiebung durchgezogen. Der verantwortliche Minister Stamp veröffentlichte anschließend die treuherzige Pressemitteilung, der negative Gerichtsbeschluss „lag dem Ministerium zu diesem Zeitpunkt nicht vor“.

Steckte Seehofer hinter dem Manöver? „Es gab keinerlei Einflussnahmen auf irgendeinen Verfahrensschritt“, versichert das Bundesinnenministerium. Ohnehin hätte Stamp entsprechende Vorschläge jederzeit ablehnen können. Sein Haus trägt rechtlich die alleinige Verantwortung. Für ihn ist alles korrekt gelaufen: Zum Zeitpunkt des Abschiebeflugs habe „keine gerichtliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorgelegen, die der Abschiebung entgegengestanden hätte“, sagte Stamp am Montag in Düsseldorf. „Hätte sie vorgelegen, hätten wir von der Rückführung abgesehen.“

16 Jul 2018

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Christian Rath

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