taz.de -- EU-Vereinbarungen zu Migration: Osteuropäer widersprechen Merkel

Ungarn, Tschechien und Polen weisen Merkels Rückführungabkommen von Flüchtlingen zurück. Die Union muss jetzt eine Entscheidung finden.
Bild: Können sie sich einigen? Innenminister Seehofer und Merkel

Warschau rtr/dpa | Nach Ungarn und der Tschechischen Republik hat auch Polen bestritten, ein Abkommen mit Deutschland zur beschleunigten Rückführung von Flüchtlingen geschlossen zu haben. „Es gibt keine neuen Vereinbarungen, die Aufnahme von Asylsuchenden von EU-Ländern betreffend“, sagte der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Artur Lompart, am Samstag. Zuvor hatte bereits der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs gesagt: „So eine Vereinbarung ist nicht erreicht worden.“

[1][In einem Schreiben an die Partei- und Fraktionschefs der Koalitionspartner]. Demnach hat sie von 14 Ländern Zusagen für Verwaltungsabkommen zur beschleunigten Rückführung registrierter Asylbewerber erhalten – darunter Ungarn, Polen und Tschechien, die bisher als scharfe Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik gelten.

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis erklärte allerdings daraufhin, diese Darstellung sei „völliger Unsinn“. „Deutschland ist nicht an uns herangetreten, und in diesem Augenblick würde ich ein solches Abkommen auch nicht unterzeichnen“, sagte er laut einer Mitteilung seiner Regierung. „Es gibt keinen Grund zu verhandeln.“

Die Bundesregierung bleibt dennoch bei ihrer Darstellung, dass Absprachen mit Tschechien getroffen wurden. „Von tschechischer Seite war die Bereitschaft ausgedrückt worden, ein Verwaltungsabkommen über verbesserte Zusammenarbeit bei Rücküberstellungen gemäß Artikel 36 der Dublin-Verordnung zu verhandeln“, sagte ein deutscher Regierungssprecher am Sonntag. „Wir nehmen die Äußerungen aus Prag bedauernd zur Kenntnis.“

Wer hat beschleunigte Rückführung zugesagt?

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban äußerte sich zwar ebenfalls dementierend, ließ aber offen, wovon genau er sprach: „Es ist zu keinerlei Vereinbarung gekommen“, sagte der rechtsnationale Politiker der staatlichen Nachrichtenagentur MTI. Merkel hatte aber nicht auf bereits geschlossene Vereinbarungen verwiesen, sondern auf „Zusagen auf politischer Ebene, solche Abkommen abzuschließen“.

Die drei Länder sind zusammen mit elf anderen Staaten in dem Papier genannt. [2][Zuvor gab es bereits Zusagen von Spanien und Griechenland.] Daneben haben sich dem Schreiben zufolge noch Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Litauen, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Portugal und Schweden zu entsprechenden Verwaltungsabkommen bereiterklärt.

Dabei geht es darum, die Rücküberstellungen von Migranten zu beschleunigen, die unter die sogenannte Dublin-Verordnung fallen. Ziel sei es, Rückführungsprozesse zu beschleunigen und Hindernisse bei der Rücknahme zu beseitigen, hieß es in dem Papier.

Die CSU-Spitze reagierte zunächst nicht öffentlich auf die am Samstag bekannt gewordenen Punkte aus Merkels Schreiben. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begrüßte die EU-Beschlüsse, sieht aber weiter Bedarf für nationale Maßnahmen. „Natürlich ist das, was in Brüssel erreicht wurde, mehr als ursprünglich gedacht“, sagte er vor einem CSU-Bezirksparteitag. Ohne den Druck der CSU wären die Gipfelbeschlüsse nicht zustande gekommen. Zugleich betonte er, das Ergebnis gestatte nationale Maßnahmen. Deutschland müsse handeln.

Tag der Entscheidung

Nun muss die CSU entscheiden, ob sie die Asyl-Vereinbarungen des EU-Gipfels als ausreichend betrachtet. Andernfalls hatte der CSU-Vorsitzende und Innenminister Horst Seehofer mit Flüchtlingszurückweisungen an der deutschen Grenze gedroht.

Die Parteigremien von CDU und CSU wollen am Sonntag in getrennten Sitzungen die Asyl-Vereinbarungen des EU-Gipfels bewerten und das weitere Vorgehen erörtern. Der CSU-Vorstand und die CSU-Bundestagsabgeordneten kommen um 15 Uhr in München zusammen. Die CDU-Spitze trifft sich ab 17 Uhr in Berlin im Kreis des Präsidiums. Um 19 Uhr kommt der Bundesvorstand zusammen. Im Anschluss wollen beide Parteien die Presse über Ergebnisse unterrichten.

1 Jul 2018

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