taz.de -- Polen entschärft Holocaust-Gesetz: Kampf um die Wahrheit

Nach scharfen Protesten hat die rechtskonservative Regierung das umstrittene Holocaust-Gesetz entschärft. Die vorgesehenen Haftstrafen werden gestrichen.
Bild: Die PiS-Partei von Jaroslaw Kaczynski hat beim Holocaust-Gesetz eingelenkt

Warschau dpa/afp | Nach einem heftigen diplomatischen Streit mit Israel entschärft Polens Regierung ihr umstrittenes Holocaust-Gesetz. Das Unterhaus Sejm stimmte am Mittwoch dafür, die bisher vorgesehenen Strafmaßnahmen von bis zu drei Jahren Haft aus dem Gesetz zu streichen. Nach Angaben der Regierenden hätten sie vom eigentlichen Ziel des Gesetzes, der Verteidigung des guten Namens Polens, abgelenkt. „Das Ziel ist und bleibt der Kampf um die Wahrheit in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit“, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.

Das im Januar verabschiedete Gesetz sah Geld- und Haftstrafen für diejenigen vor, die dem polnischen Staat oder Volk „öffentlich und entgegen den Fakten“ die Verantwortung oder Mitverantwortung für Verbrechen des Nazi-Regimes zuschreiben. Es hatte eine tiefe diplomatische Krise zwischen Israel und Polen ausgelöst. Auch von den USA war das Gesetz kritisiert worden.

Kritiker warfen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor, von Polen begangene Verbrechen an Juden vertuschen zu wollen. Polens Regierung argumentierte, sie wolle unter anderem historisch falsche Ausdrücke wie „polnische Todeslager“ unterbinden. Präsident Andrzej Duda hatte das Gesetz zwar unterschrieben, aber zur Prüfung an das Verfassungsgericht gegeben. Ein Urteil des Gerichts steht bisher aus.

Die von Morawiecki überraschend vorgestellten Gesetzesänderungen kommen dem Gerichtsurteil nun zuvor. Mit dem Senat sollte auch die zweite Parlamentskammer noch am Mittwoch über die Änderungen abstimmen. Die Zustimmung galt als wahrscheinlich, da die PiS mit absoluter Mehrheit regiert.

27 Jun 2018

TAGS

Polen
KZ
NS-Verbrechen
PiS
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Polen
Polen
Antisemitismus

ARTIKEL ZUM THEMA

Polen fehlt bei Gedenken in Israel: Duda, der „große Abwesende“

Ungewöhnlich einig kritisiert Polen die politische Instrumentalisierung des Holocaust-Gedenkens. Auf viel Solidarität kann das Land nicht hoffen.

Kommentar „jüdische Täter“: Umdeutung des Massenmords

Polens Ministerpräsident spricht von „jüdischen Tätern“. Das ist durch nichts belegter Unsinn und ebnet den Weg zur historischen Lüge.

Geschichtszensur-Gesetz in Polen: Erinnern mit Einschränkungen

Polen und Israel streiten über ein geplantes polnisches Gesetz, das „Polens guten Ruf“ schützen soll. Es verbietet etwa, von „polnischen KZs“ zu sprechen.

Jahrestag antisemitischer Diskriminierung: „Judenstern“ als befohlenes Stigma

Mit der Kennzeichnung 1941 begann der systematische Mord an mindestens sechs Millionen Juden. Sie war die letzte einer Reihe von Ausgrenzungen.