taz.de -- taz-Serie Datenschutz in der EU: Digitale Zeitenwende
Die Datenschutzgrundverordnung ist ein Meilenstein. Sie ist so bürokratisch, dass viele User darüber stöhnen. Doch sie sichert ein Grundrecht.
Die Daten von rund 500 Millionen Europäer*innen stehen ab 25. Mai 2018 unter besonderem Schutz. Dann gilt die EU-Datenschutzgrundverordnung – kurz DSGVO. Sie gilt als Meilenstein und Zeitenwende im europäischen Datenschutzrecht. Während Verbraucherschützer*innen jubeln, ärgern sich Blogger*innen, Vereinsleute oder Kleinunternehmer*innen über das bürokratische Ungetüm. Die taz beleuchtet [1][in einer Serie] die verschiedenen Aspekte der DSGVO.
Bämm, Facebook! Und ihr auch: Google, Amazon, Apple, Ebay, Zalando und all die anderen, deren Geschäftsmodell die persönlichen Daten der Bürger*innen braucht. Denn alle 28 EU-Staaten halten euch eine gemeinsame juristische Firewall vor, um euch davon abzuhalten, Dinge von uns zu erfahren, die wir euch freiwillig eigentlich gar nicht sagen wollen. Zugegeben, das Bollwerk für mehr Privatsphäre im digitalen Zeitalter klingt eher sperrig als sexy. Aber die Datenschutzgrundverordnung – kurz DSGVO –, die ab 25. Mai gilt, ist tatsächlich ein Meilenstein und läutet eine Zeitenwende ein in einer Welt, die längst nicht mehr nur analog funktioniert.
Ausnahmsweise kommen diese oft so beliebig benutzten Worthülsen an der richtigen Stelle zum Einsatz. Wer Daten haben will, muss fragen und um Erlaubnis bitten. Wer das nicht tut, wird bestraft und muss zahlen, im besten Fall sogar empfindlich hohe Geldbeträge. Nahezu jeder, der auch nur ansatzweise in Berührung mit Datenflüssen kommt, nervt noch vor Fristablauf seine Nutzer*innen mit der Brüsseler Verordnung und fordert ihre Zustimmung.
Die EU zeigt den Datensaugern mit der DSGVO den bürokratischen Stinkefinger. Virtuos verpackt in Paragrafen, etliche Eventualitäten ein- und ausschließend. Technische Standards werden vorgeschrieben, das Recht auf Auskunft, Widerspruch, Löschen, Vergessen, mehr Jugendschutz festgeklopft. Endlich. Schließlich reichen die bisherigen EU-Datenschutzregeln in die 1990er Jahre zurück.
Das Ganze klingt perfekt – zumindest im EU-Sprech. Aber leider haben die Mitgliedstaaten bei der konkreten Umsetzung mehr als ein Wörtchen mitzureden. Datenschützer*innen reagierten irritiert bis entsetzt, als Kanzlerin Angela Merkel kürzlich von einer Überforderung bei der Umsetzung der DSGVO sprach und Änderungen ins Spiel brachte. Vielleicht gar nach dem Vorbild Österreichs? Dort sollen Datensünder zunächst nur verwarnt werden und nicht gleich zahlen.
Datenschutz betrifft jeden von uns. Neue Gesetze belasten meist die, die ohnehin unter Bürokratie und Vorschriften leiden und trotz allem keine großen Reichtümer anhäufen. Das ist auch bei der DSGVO so. [2][Blogger*innen, Vereinsleute, Kleinunternehmer*innen jammern und stöhnen] über ein Regelwerk, das so verklausuliert Vorschriften macht, dass sie nur Expert*innen verstehen. Die sind schwer zu kriegen und kosten Geld. Auch in Großunternehmen, für die der Datenhandel eine wahre Goldgrube ist, wird heftig gemotzt. Allerdings haben sie genügend Geld, um Expertise einzukaufen.
Dass Datenschutz ein Grundrecht ist, ist an vielen Stellen noch nicht wirklich angekommen. Die DSGVO wird das ändern. Endlich.
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Teil 1 unserer Datenschutz-Serie: [3][Interview mit der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff]
Teil 2 unserer Datenschutz-Serie: [4][Was steht drin im DSGVO?]
Teil 3 unserer Datenschutz-Serie: [5][Auch kleine Firmen beklagen die Rechtsunsicherheit des neuen Gesetzes]
Teil 4 unserer Datenschutz-Serie: [6][Interview mit dem Verbraucherschützer Christian Gollner]
Teil 5 unserer Datenschutz-Serie: [7][Porträt des grünen Vordenkers der neuen Datenschutzgesetze Jan Philipp Albrecht]
Teil 6 unserer Datenschutz-Serie: [8][Das Recht auf Vergessenwerden]
Teil 7 unserer Datenschutz-Serie: [9][Ein Vereinsvorsitzender und eine Bloggerin sprechen über Nachteile des EU-Datenschutzgesetzes]
Teil 8 unserer Datenschutz-Serie: [10][Kommentar zur digitalen Zeitenwende]
21 May 2018
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