taz.de -- Die Wahrheit: Weltfischbrötchentagebuchnotiz

Von der „Currywurst des Nordens“ und dem wahrscheinlich längst vergessenen „Rundstück warm“.
Bild: Machen vor allem Hamburger Gäste satt: Fischbrötchen

Was ich neulich wieder nicht habe hochleben lassen, war der „Weltfischbrötchentag“. Das musste ich auch gar nicht, das tat ja meine Lokalzeitung schon. Dort erfuhr ich, dass erstens der Norden diesen Tag feiert, woraus ich zweitens schließe, dass ich neuerdings im Süden lebe, was schon lange mein heimliches Ziel war, und dass ich drittens, falls ich mich dennoch als Norddeutsche fühlen sollte, ein Fischbrötchen als „Currywurst des Nordens“ zu bezeichnen habe, was ich nicht tue. Also bin ich dann wohl praktisch Bayerin.

Currywurst des Nordens würde ich allenfalls das „Rundstück warm“ nennen, was aber erstens keiner mehr kennt, und zweitens müsste es auch eher „Currywurst des Hamburgers“ heißen, was drittens wiederum zu Missverständnissen führen könnte, weil ein Hamburger ja auch was mit Brötchen sein kann, wenn er nicht, ungegendert, ich oder jemand wie ich ist.

Ich müsste also das „Rundstück warm“ als „Currywurst des Hamburgers der sechziger Jahre, na ja, ein bisschen vielleicht auch noch der siebziger“ beschreiben, weil nur dann klar wäre, dass nicht das Fleischbrötchen gemeint ist, denn das gab es damals jedenfalls in Hamburg noch nicht beziehungsweise doch, aber eben nur als „Rundstück warm“. Und außerdem würde ich eigentlich gar nichts als Currywurst bezeichnen, außer vielleicht eine Wurst mit Curryketchup.

Man könnte an dieser Stelle zu Recht einwenden, dass das niemanden interessiert, ich aber würde antworten, dass mich auch Petra Wöbke nicht interessiert und ich trotzdem lesen muss, wie ihrer Meinung nach vor allem „ein frisches, knuspriges Brötchen“ wichtig sei für ein gelungenes Fischbrötchen.

„Petra Wöbke kennt sich aus mit der Materie“, freut sich die Zeitung einen Algenkeks. Endlich mal jemand, der was weiß! Alle anderen hätten sicherlich für lappige, klitschige oder trockene Vortagsbackwaren plädiert. Frau Wöbke doziert weiter, dass Brötchen mit Krabben ebenfalls beliebt seien: „Obwohl das streng genommen keine Fischbrötchen, sondern Krabbenbrötchen sind.“

Da möchte ich doch bei ihr anfragen, ob eigentlich Wurstbrötchen Fischbrötchen sind, streng oder locker genommen, wenn zum Beispiel die Wurst aus Fisch ist, oder wenn man denkt, es sei Fisch, aber dann ist es doch bloß Wurst. Dass der Norden demnächst mit einer „Fischbrötchenpizza“ zu rechnen habe, frohlockt derweil die Lokalzeitung erbarmungslos weiter, eine „neuen Kreation“ anlässlich des Weltfischbrötchentags.

Manchmal, wenn Welt und Zeitung mich weinen machen, muss ich an den großen Harry Rowohlt denken. Er erzählte gern, wie er einmal hungrig in irgendeiner Stadt nach einem Fischbrötchen fahndete und schließlich jemanden fragte: „Sagen Sie, haben Sie hier eine ‚Nordsee‘-Filiale?“ Und der Einheimische senkte betrübt sein Haupt und antwortete: „Da sprechen Sie was an.“

9 May 2018

AUTOREN

Susanne Fischer

TAGS

Hamburg
Wurst
Currywurst
Ferien
Sozialverhalten
Buchhandel
Mütter
Griechenland
Familie
Andrea Nahles

ARTIKEL ZUM THEMA

Hamburger Küche: Aal kann – muss aber nicht

Es gibt gute Gründe dafür, nach Hamburg zu kommen, aber das Essen ist eher keiner. Oder doch? Erkundungen zwischen Franz- und Fischbrötchen.

Bäckereien und Metzgereien schließen: Oh Wurstbrötchen!

Über die vergangenen zehn Jahre hat ein Drittel der Bäckereien und Metzgereien in Deutschland dichtgemacht. Eine wehmütige Mettpoesie.

Frank Zander eröffnet Bude in Berlin: Ein Populist in Sachen Currywurst

Der Sänger Frank Zander ist nicht nur Spaßmacher und Sprücheklopfer. Jetzt eröffnet er eine Currywurstbude in Berlin-Reinickendorf.

Die Wahrheit: Ferienendblues

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, letzterer gebärdet sich stets anders: Vom sich Aufbäumen gegen den Lauf der Zeit handelt dieser Text.

Die Wahrheit: Ich voll aggro

Bei den Unverschämtheiten fremder Leute hilft nicht einmal die stärkste aller möglichen Waffen: das süffisante Grinsen.

Susanne Fischer: Regaldinosaurier

Vorschlag: Ein Ablasshandel für Bücherkäufer, sie müssen sie ja nicht lesen. Dafür gibt's Bonuspunkte und man darf sich an der Supermarktkasse vordrängeln.

Die Wahrheit: Der Wille zum Einparken

Morgens um um kurz vor acht ist die Welt alles andere als in Ordnung. Das zeigt sich besonders im Straßenverkehr.

Die Wahrheit: Die Rache der Griechen

Wer in jungen Jahren Richtung Retsina nach Griechenland reiste, der wird auch 35 Jahre später zumindest vor Ort nicht enttäuscht.

Die Wahrheit: Alte Liebe Schwarz-Weiß-Blau

Hineingeboren in eine HSV-Familie, geht es nicht anders: Nach 100 Jahren wird jetzt im Abstieg nicht ohne uns gelitten und gestorben.

Die Wahrheit: Ich als SPD-Vorsitzende

Einmal Andrea Nahles sein, verspricht der wüste Fiebertraum, in dem Biathleten und andere Schießbudenfiguren angefeuert werden.