taz.de -- Opposition in der Ukraine: Schlag gegen die „fünfte Kolonne“

Nach Entzug ihrer Immunität wird die Abgeordnete Nadija Sawtschenko ins Gefängnis gebracht. Sie soll einen Umsturz geplant haben.
Bild: Nadeschda Sawtschenko am Donnerstag im Parlament

Berlin taz | Petro Poroschenkos Dankesbekundungen an die Adresse von Generalstaatsanwaltschaft und Sicherheitsdiensten fielen besonders überschwenglich aus. Diese hätten die „fünfte Kolonne neutralisiert“ und das Leben von Menschen gerettet, die Terroranschlägen und einer russischen Spezialoperation zum Opfer gefallen wären, sagte der ukrainische Präsident am Donnerstag.

Mit der „fünften Kolonne“ war auch die Abgeordnete und Ex-Soldatin Nadeschda Sawtschenko gemeint. Die 36jährige wurde am Donnerstag in der Verchovna Rada festgenommen. Sicherheitskräfte brachten sie vom Parlamentsgebäude zum Sitz des Geheimdienstes SBU in Kiew, wie örtliche Medien berichteten. Von dort wurde sie ins Gefängnis gebracht.

Zuvor hatten die Abgeordneten mit deutlicher Mehrheit Sawtschenkos Immunität aufgehoben und ihrer Festnahme zugestimmt.

Bereits am 15. März hatte Generalstaatsanwalt Juri Luzenko ihr vorgeworfen, terroristische Anschläge – unter anderem auf das Parlament – und einen Staatsstreich vorbereitet zu haben. Sawtschenko habe gemeinsam mit den moskautreuen Separatisten im ostukrainischen Donezk geplant, die Regierung abzusetzen, sagte er.

Mit Lügendetektor

Sawtschenko, die seit längerem für eine Verständigung mit den Aufständischen wirbt, weist dies zurück. Am vergangenen Dienstag erklärte sie, dass Leute aus dem Umfeld des Präsidenten die Aufgabe gehabt hätten, sie zu liquidieren. Der taz sagte sie in dieser Woche, sie werde sich zu den Vorwürfen nur öffentlich und mit einem Lügendetektor äussern (taz v. 22.03.18).

Sawtschenko hatte schon seit einiger Zeit immer wieder für Kontroversen gesorgt. Mal sprach sie sich dafür aus, im Austausch für eine Rückkehr des Donbass unter die Kontrolle Kiews die Krim komplett aufzugeben. Mal traf sie Anführer der Volksrepubliken Donezk und Luhansk, um über die Freilassung ukrainischer Gefangener zu verhandeln.

Die 36-jährige ehemalige Militärpilotin war 2014 bei Kampfhandlungen in der Ostukraine festgenommen und in Russland zu 22 Jahren Haft verurteilt worden, weil sie in der Ostukraine für den Tod von zwei russischen Journalisten mitverantwortlich gewesen sein soll.

Im Mai 2016 kam sie nach mehreren Hungerstreiks im Austausch gegen zwei Russen frei und kehrte in die Ukraine zurück, wo sie eine politische Karriere begann. Besonders ukrainische Nationalisten versuchten sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Sawtschenko gehört der Partei der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko an. Vor einer Woche hatten die Abgeordneten dafür gestimmt, ihr die Mitgliedschaft im Verteidigungsausschuss zu entziehen.

22 Mar 2018

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Barbara Oertel

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