taz.de -- Korruption bei Flüchtlingshilfe in Uganda: Jeder Stein wird umgedreht

Uganda galt mit einer der liberalsten Flüchtlingspolitiken der Welt als vorbildlich. Dann wurden Betrugsvorwürfe laut. Jetzt reagiert die Regierung darauf.
Bild: Bekommt Uganda mehr Hilfsgüter für Geflüchtete als dem Land zusteht?

Aliyi Abdalla säubert seine Fingerkuppen mit einem Hygienespray, bevor er seinen Daumen auf den Scanner drückt. Der Flüchtling aus Äthiopien sitzt seit dem frühem Morgen auf einer langen Bank in einem weißen Zelt mit dem Logo des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und wartet.

Sämtliche Eritreer, Somali, Kongolesen, Ruander, Burundier und Südsudanesen, die in Ugandas Hauptstadt Kampala Zuflucht gesucht haben, sind aufgefordert, sich neu registrieren zu lassen: biometrisch, mit allen zehn Fingerabdrücken, quasi fälschungssicher. Der Massenabgleich der Fingerabdrücke ist der erste Schritt, um die Korruptionsvorwürfe im Flüchtlingssektor zu entkräften. Uganda beherbergt laut offiziellen Zahlen 1,4 Millionen Flüchtlinge – so viele wie kein anderes Land auf dem Kontinent.

Für den UNHCR war es ein „Musterland“. Uganda hat eine der liberalsten Flüchtlingspolitiken der Welt. Internationale Geber, vor allem UN-Hilfswerke, finanzieren in Uganda die Erstversorgung der ankommenden Menschen. Uganda appelliert an die Weltgemeinschaft, sich solidarisch zu zeigen.

Doch jetzt sind wohl Hilfsgelder unterschlagen worden. [1][Wie die taz Ende Januar aufdeckte,] geht die Endabrechnung eines 2016 von der Regierung mit UNHCR-Geldern umgesetzten Projekts nicht auf. Geplante Straßen im Verwaltungsbezirk Arua an der Grenze zum Kongo und Südsudan, wo besonders viele Flüchtlingslager sind, wurden an falscher Stelle gebaut. Abgerechnete Fahrzeuge wurden nicht angeschafft, Schulen und Krankenhäuser an nicht vorgesehenen Stellen errichtet.

Der absolute Sündenfall

UNHCR-Chef Filippo Grandi hatte bei seiner Visite in Uganda vor zwei Wochen auf taz-Anfrage mit Sanktionen gedroht, würde sich der Verdacht erhärten. Unabhängige Wirtschaftsprüfer sind eingeflogen, um die Vorwürfe zu prüfen. Es dauere „mehrere Wochen“, bis der finale Bericht vorliege, so der UNHCR.

Auch das UN-Welternährungsprogramm (WFP) „begrüßt“ den Versuch der Aufklärung, so Peter Smerdon, WFP-Sprecher für die Region. Es kommt noch schlimmer: Rosa Malango, UN-Koordinatorin für Uganda, hatte Ende Januar an Ugandas Premierminister einen Bericht geschrieben. Darin wurde der Verdacht von „Korruption über Betrug, Schmuggel von Mädchen und Frauen bis hin zur Einschüchterung von UN-Personal geäußert“, so Malango gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Mutmaßlich seien südsudanesische Frauen aus den Lagern zurück über die Grenze verschleppt worden, um dort den Soldaten als Sexsklavinnen zu dienen. Ugandische Offizielle hätten sich für ihr Schweigen schmieren lassen.

Dies wäre der absolute Sündenfall für Uganda, das so dringend auf internationale Hilfsgelder angewiesen ist. Bereits 2017 haben sich große Geberagenturen aus Uganda zurückgezogen, weil sie Betrug witterten. Schon lange spekulieren westliche NGOs über mutmaßlich zu hohe Zahlen.

Internationale NGOs, die für Nahrungsmittellieferungen oder die Gesundheitsversorgung in den Lagern zuständig sind, schätzen: Es sind nicht einmal eine Million Flüchtlinge. Die Zahlen seien übertrieben, um mehr Hilfsgüter abzurechnen.

Ugandas Regierung reagierte. Apollo Kazungu, Kommissar für Flüchtlingsangelegenheiten beim Premier und zuständig für die Verwaltung der Lager, wurde suspendiert samt drei seiner Angestellten. Flüchtlingsminister Hilary Onek erklärte am Donnerstag: Uganda würde alle Flüchtlinge biometrisch neu erfassen. „Wir versichern unseren Partnern, dass wir jeden Stein im Land umdrehen werden“, sagt er.

18 Feb 2018

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Simone Schlindwein

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