taz.de -- Familiennachzug von Flüchtlingen: Weniger hart beim Härtefall

Die SPD verkauft die Härtefallregelung beim Familiennachzug als Erfolg. Aktuell hilft sie allerdings nur wenigen.
Bild: Bis zum 31. Juli ist der Familiennachzug weiter ausgesetzt

Berlin taz | Wie interpretationsoffen die Ergebnisse der Koalitionsgespräche zum Familiennachzug sind, zeigen einmal mehr die Reaktionen von Alexander Dobrindt (CSU) und Ralf Stegner (SPD). Gemeinsam hatten sie sich darauf geeinigt, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte bis zum 31. Juli weiter auszusetzen. Im Anschluss daran sollen pro Monat 1.000 Familienangehörige nachkommen dürfen.

Die SPD hatte darauf gedrungen, Härtefälle zusätzlich zu der festgelegten Zahl zu erlauben. Am Donnerstag soll der Bundestag darüber entscheiden. Für Dobrindt jedoch war klar: „Mit der Neuregelung wird der Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte endgültig abgeschafft.“

Unterdessen erklärte Stegner auf seiner Facebookseite: „Falls es zu einer Koalition kommt, schaffen wir zumindest einen Wiedereinstieg in den Familiennachzug“ für subsidiär Geschützte. Die Wahrheit liege wohl dazwischen, sagt Thomas Könneker, Anwalt für Asyl- und Ausländerrecht in Leipzig. „Die Härtefallregelung ist nicht neu. Das so darzustellen, ist reine politische Kür.“

Paragraf 22 führte bisland ein schlafendes Dasein

Tatsächlich sieht Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes schon jetzt vor, dass „einem Ausländer für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann“. „Dieser Paragraf hat bis vor Kurzem aber ein schlafendes Dasein geführt“, sagt Könneker. „Als Härtefälle wurden nur absolute Ausnahmen eingestuft. Wenn er künftig dafür sorgen soll, dass mehr Menschen kommen dürfen, müssen die Kriterien verändert werden.“

Notwendige Blutspenden hätten bislang ein solcher Härtefall sein können. Darüber entscheidet das Auswärtige Amt gemeinsam mit der zuständigen Botschaft. Die Angehörigen, die nach Deutschland kommen wollen, müssen ihre Situation dort vor Ort „glaubhaft“ darstellen. Ob dieses Verfahren geändert wird, haben die Koalitionsgespräche noch nicht ergeben.

Wichtig bei der Entscheidung über Härtefälle war immer auch die Situation des „Stammhalters“, also ob dieser in Deutschland bereits einen festen Wohnsitz und ein geregeltes Einkommen hat. „Der Paragraf ist aktuell so eng gefasst, dass er fast gar nicht wirkt“, sagt auch Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Werden die Kriterien nicht verändert, bleibt es bei unter 100 Fällen im Jahr, glaubt Könneker.

31 Jan 2018

AUTOREN

Hanna Voß

TAGS

Familiennachzug
Koalitionsverhandlungen
Subsidiärer Schutz
Bundestag
SPD
Flüchtlingspolitik
Subsidiärer Schutz
Migration

ARTIKEL ZUM THEMA

Entscheidung zum Familiennachzug: Nachts liegt die Seele bloß

Seit zwei Jahren und sechs Monaten wartet der Kurde Jawan darauf, seine Frau und vier Kinder von Syrien nach Deutschland zu holen. Ein Erfahrungsbericht.

Bundestag debattiert Familiennachzug: „Pure Ermessensregelung“

Union und SPD verteidigen im Parlament ihre Einigung zum Familiennachzug für Flüchtlinge. Aus allen anderen Fraktionen kommt deutliche Kritik.

Kommentar Familiennachzug: Gut geheuchelt, Grüne!

Die Regelung des Familiennachzugs wird ein Trauerspiel. Die Union ist kleinlich, die SPD ohne Spielraum. Und die Grünen hätten das auch abgenickt.

Kommentar GroKo-Familiennachzug: Koalition der Herzlosigkeit

Tausende Familien werden in Unsicherheit leben, weil die CSU um ihr Ergebnis bei der Landtagswahl bangt. Trauriger kann eine Koalition nicht beginnen.

Koalitionsverhandlungen zum Streitthema: Einigung beim Familiennachzug

Flucht vor Gewalt kann Familien zerreißen. Zur Frage, ob Flüchtende Angehörige nachholen dürfen, haben Union und SPD jetzt eine Antwort gefunden.

Koalitionsgespräche in Berlin: Streit bei Migration und Gesundheit

Kurz nach Beginn der Koalitionsgespräche hakt es. Hauptstreitpunkt ist die Flüchtlingspolitik. Bei anderen Themen gibt es hingegen Fortschritte.