taz.de -- Unterbringung von Geflüchteten: Kein Zimmer frei?

Noch immer leben 3.700 Geflüchtete in Notunterkünften. Dabei gebe es freie Plätze in besseren Heimen, kritisiert der Flüchtlingsrat.
Bild: Bank vor einem Wohncontainer im neuen „Tempohome“ am Tempelhofer Feld

Für die BewohnerInnen der Notunterkunft Paulsternstraße in Spandau gab es ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Am Mittwoch konnten die 200 Geflüchteten nach Auskunft der Senatsverwaltung für Integration nach Staaken in ein früheres Seniorenheim umziehen. Dort haben sie, anders als zuvor in der Mehrzweckhalle, abschließbare Zimmer und Kochmöglichkeiten.

Diesen „Luxus“ gibt es nicht für alle: Obwohl kaum noch neue Flüchtlinge in Berlin ankommen (7.500 seit Jahresbeginn), leben noch immer rund 3.700 Geflüchtete in Notunterkünften (NUK), also Heimen ohne Kochmöglichkeit, ein paar hundert sogar in „besonders prekären Notunterkünften“. Also solche bezeichnet die Verwaltung „Immobilien, die etwa durch Unterbringung in Raum-in-Raum-Lösungen nur über eine sehr eingeschränkte Privatsphäre verfügen“.

Das selbst gesteckte Ziel, alle besonders prekären NUK bis Jahresende zu schließen, „wurde leider nicht erreicht“, erklärt Karin Rietz, Sprecherin von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), auf taz-Anfrage. Grund: Entsprechende Kapazitäten in besseren Gemeinschaftsunterkünften (GU), die Kochmöglichkeiten vorsehen, seien nicht rechtzeitig fertig geworden. Dies betreffe die NUK Karl-Marx-Straße (Neukölln, ehemaliges Kaufhaus) sowie Mertensstraße (Spandau, frühere Zigarettenfabrik).

Dagegen kritisiert der Flüchtlingsrat, viele Geflüchtete – vor allem aus „sicheren Herkunftsländern“ – würden „ohne reale Not“ in Notunterkünften gehalten, was offenbar zur Abschreckung diene. Das für die Unterbringung zuständige Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) habe im Frühjahr einen Belegungsstopp für GU erlassen, seither seien dort permanent 1.000 bis 3.000 Plätze frei, erklärte der Rat Anfang Dezember in seiner 24-seitigen Bilanz von einem Jahr R2G. „Dies war zumindest bis Juli der Fall“, ergänzt Sprecher Georg Classen gegenüber der taz. Aufgrund der Kritik an dieser Praxis durch die Fachöffentlichkeit gebe die Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL), die zuständige Abteilung des LAF, seither keine Listen mehr heraus, aus denen die Belegungszahlen aller Unterkünfte ersichtlich sind.

Rund 12.400 Menschen konnten umziehen

Keine Frage: Das LAF hat viel geschafft in diesem Jahr. Im Dezember 2016 lebten noch fast 18.000 Geflüchtete in Notunterkünften, davon 3.000 in 38 Turnhallen. Seither wurden alle Turnhallen geschlossen, zudem 17 „besonders prekäre“ Notunterkünfte, zuletzt Anfang Dezember die Hangars im früheren Flughafen Tempelhof (bis auf das „Ankunftszentrum“ für neue Geflüchtete) und das Rathaus Wilmersdorf.

Insgesamt konnten laut Rietz in 2017 rund 12.400 Menschen aus NUK ausziehen, davon etwa 3.800 in Wohnungen, die anderen in Gemeinschaftsunterkünfte. Dafür wurden seit vergangenem Dezember 3.094 Plätze in sogenannten Modularen Unterkünften (MUF) gebaut, das sind Fertigbauhäuser, die später auch anderen sozial schwachen Gruppen zur Verfügung stehen sollen. Dazu entstanden 3.722 neue Plätze in Containerdörfern, genannt Tempohomes, die maximal drei Jahre bestehen können. Zudem seien 345 Plätze in Bestandsgebäuden geschaffen worden. Dass nicht mehr Gemeinschaftsunterkünfte fertig geworden sind, hat laut Rietz vor allem bauliche und genehmigungsrechtliche Gründe. Dass das LAF immer rund 1.000 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften frei halte, wie der Flüchtlingsrat kritisiert, verneint sie.

Allerdings geht aus einer Liste der BUL von Ende Juni, die der taz vorliegt, genau dies hervor. Danach gab es zu diesem Zeitpunkt 15.202 Plätze in GU, davon waren 14.261 belegt. Alle 52 Heime, auch solche mit einer Auslastung weit unter 100 Prozent, waren mit dem Vermerk „Belegungsstopp“ versehen.

Der Flüchtlingsrat fordert daher, freie Plätze dort sofort an Menschen zu vergeben, die noch in Notunterkünften leben. Zudem müssten alle NUK geschlossen oder durch Umbau zu Gemeinschaftsunterkünften aufgewertet werden. Ähnlich sieht das Katina Schubert, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion: Nächstes Jahr werde es vor allem „darum gehen, weitere Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen zu bauen sowie Notunterkünfte oder Erstaufnahmeeinrichtungen in Gemeinschaftsunterkünfte umzuwandeln“.

21 Dec 2017

AUTOREN

Susanne Memarnia

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