taz.de -- Kolumne Eier: En garde, Fellkragenjackenträger!
Typen, die typenmäßig Autofahren, kann man auf dreierlei Arten unschädlich machen. Für die Sicherheit im Straßenverkehr.
Er hupt. Natürlich hupt er.
Er hupt und brüllt irgendwas, als er mich schneidet und ich fast vom Rad kippe. Es wäre ja auch zu viel verlangt, wenn er mal kurz abbremsen würde, um mich vorsichtig zu überholen.
Nein, natürlich muss er seinen Macho-BMW an mir vorbeischlängeln und dabei hupen, weil er mich als Radfahrer sowieso für’ne Pussy hält. Ja, wir wollen alle nach Hause – aber ich habe langsam echt genug von diesen Typen, die tonnenweise Stahlblech durch die Gegend fahren, weil sie Angst haben, dass sich ihr Penis nach innen stülpt, wenn sie mal den Bus nehmen.
Das würde ich ihm gerne hinterherpoltern, aber ich will keinen Stress. Es ist kalt und nass, und in meiner Tasche steckt eine Tüte frischer Kosmetikprodukte, die ich daheim im Bad an mir auszuprobieren gedenke. Habe mir kürzlich sagen lassen, dass auch weiße, blonde Sommertypen einen Lidstrich tragen können.
Aber der BMW vor mir bremst ab. Durch die Rückscheibe sehe ich, dass der Fahrer so eine Fellkragenjacke trägt. Der will mir jetzt wahrscheinlich noch sagen, ich soll mich verpissen, damit er freie Bahn hat. Soll er mal. Soll er doch alle seine BMW-Kumpels rufen. Ich habe eine Mütze und einen Schokoriegel dabei und lass mich gerne hier und jetzt mitten auf der Straße auf eine Diskussion darüber ein, warum, ja warum zur Hölle ihr Typen alle ein Auto braucht. Mit 19 habe ich mir auch einen BMW gekauft, und zwar auch um meine Männlichkeit zu untermauern. War eine krasse Fehlinvestition, sowohl finanziell als auch in Sachen Männlichkeit. Aber wenigstens habe ich dabei nie so eine bescheuerte Fellkragenjacke getragen.
Er ist jetzt vor mir zum Stehen gekommen. Letzte Chance, mich noch aus der Konfrontation zu verpissen. Sie wissen ja, ich mag keinen [1][Streit]. Wenn ich Fahrrad fahre, werde ich hingegen zur Jeanne d’Arc der Unmotorisierten.
Also auf geht’s. Man muss in solchen Fällen spontan sein und sehen, was für einen Typ Auto-Macho man vor sich hat. Ist es einer, der Männlichkeit mit dem Beherrschen von Maschinen assoziiert, dann lohnt es sich zu unterstellen, dass er nicht richtig Auto fahren kann. „Mach mal’nen Führerschein!“ reicht oft schon. Und weiterfahren. Schnell. Weiterfahren. Intellektuellere Auto-Machos kann man drauf hinweisen, dass sie da eine aussterbende Technologie zelebrieren und es doch schade ist, dass sie sich offensichtlich keinen Hybrid leisten können. Bei den Politischen sollte man einfach sowas skandieren wie: „Ihr stinkt, ihr brummt, ihr seht scheiße aus – Autos raus, Autos raus!“ Ich weiß, der Reim ist Mist, aber das ist beim Skandieren egal.
Bei meinem BMW-Fahrer bin ich mir noch unsicher, welcher Typ er ist. Fellkragenjacken finden sich ja leider in allen genannten Milieus.
Wir sind jetzt auf Augenhöhe. Die Fensterscheibe gleitet runter. „Entschuldigung“, sagt der Fahrer „Dir ist da was runtergefallen!“ Hundert Meter hinter mir liegt mein Kosmetiktütchen im Matsch.
8 Dec 2017
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