taz.de -- Die Wahrheit: Die liberale Handschrift
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Die Leserschaft darf sich an einem Poem über Nachwehen der Jamaika-Gespräche erfreuen.
Die Tagungsräume stehn verlassen,
Jamaika hat sich ausgeträumt.
Jetzt werden leere Flaschen, Tassen
und Schnittchenreste abgeräumt.
Doch halt! Im Wust der vielen Zahlen,
in Krümeln von so manchem Keks,
sind immer noch die Liberalen
auf allen vieren unterwegs.
Die Handschrift muss doch noch wo liegen,
ja, Christian Lindners Schönschreibheft,
in dem wir es verklickert kriegen –
das liberale Kerngeschäft.
Sie suchen krabbelnd nach der Kladde
an jedem Stuhl- und Sesselbein,
selbst unter mancher Teppichmatte,
denn überall kann sie ja sein.
Dann endlich wird die Schrift nach Stunden
in einem Schmutzserviettenmeer
kopfüber von Graf Solms gefunden.
Der reicht sie Sekretärin Beer.
Die war einmal im Lande Hessen
für Bildung und so Sachen da.
Deshalb hält sie auch unterdessen
die Handschrift in die Kamera.
Doch dann der Schock! Die schlimmste Klaue,
mit Tipp-Ex heillos überschmiert,
samt orthografischem Gesaue,
wird da dem Wahlvolk präsentiert.
Am Ende krudester Sentenzen,
bricht egomaner Wahn sich Bahn.
Dort sprengt der Autor alle Grenzen
und nennt sich „toller Christian“.
Und man beginnt jetzt zu begreifen,
an welchem Faden alles hing,
und dass – man will vor Freude pfeifen! –
der Kelch an uns vorüberging.
23 Nov 2017
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