taz.de -- Grüne wechselt zur CDU in Niedersachsen: Rot-grüne Regierung auf der Kippe
Weil eine Grüne zur CDU wechselt, verliert Rot-Grün die Mehrheit in Niedersachsen. Nun könnte ein Wechsel zu Schwarz-Gelb anstehen. Oder gibt es eine Neuwahl?
Hannover dpa | Völlig überraschend hat eine abtrünnige Grünen-Abgeordnete die rot-grüne Koalition in Niedersachsen entmachtet. Fünf Monate vor der nächsten Landtagswahl steckt die Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) damit in einer tiefen Krise – sie hat ihre knappe Ein-Stimmen-Mehrheit verloren. Wie es nun weitergeht, ist noch offen.
Von der Landesregierung gab es zunächst keine Reaktion, die Staatskanzlei traf die Mitteilung völlig unvorbereitet. Die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Johanne Modder sagte der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: „Wenn die Mehrheit wechselt, weil eine Abgeordnete aus persönlicher Enttäuschung die Seite wechselt, dann soll möglichst rasch der Wähler entscheiden.“
Die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten (54) aus dem Kreis Rotenburg/Wümme trat am Freitag aus ihrer Fraktion aus, sie will zur CDU wechseln. Twesten sagte: „Ich sehe meine politische Zukunft in der CDU.“ Sie habe sich seit längerem von den Grünen entfremdet. In ihrem Wahlkreis gelang es ihr außerdem nicht, für die nächste Landtagswahl von den Grünen vor Ort erneut als Direktkandidatin aufgestellt zu werden. Die Politikerin selber betonte: „Ich bin keine Verräterin. Ich fühle mich sehr gut.“
Die Oppositionsparteien CDU und FDP stehen damit vor einer Übernahme der Mehrheit im Landtag. Sie hätten zusammen künftig 69 Sitze, SPD und Grüne nur noch 68 Sitze.
Denkbar wären nun vorgezogene Neuwahlen. Bisher ist geplant, dass in Niedersachsen am 14. Januar 2018 über einen neuen Landtag abgestimmt wird. Theoretisch könnte Weil aber auch mit einer Minderheitsregierung bis Januar weiterarbeiten.
Grüne verlangen Mandat zurück
CDU-Fraktionschef Björn Thümler sagte, die rot-grüne Landesregierung von Ministerpräsident Weil müsse jetzt entscheiden, ob sie in dieser Situation ohne Mehrheit weiter regieren könne. Weil könne mit einem Rücktritt den Weg für vorgezogene Neuwahlen frei machen. Thümler nannte den Schritt von Twesten „doch etwas kurios“.
Denkbar wäre außer früheren Neuwahlen oder einer Minderheitsregierung auch ein Machtwechsel über ein Misstrauensvotum. In diesem Fall muss beim Landtagspräsidenten beantragt werden, dem Ministerpräsidenten das Vertrauen zu entziehen. Dann könnte der Landtag einen neuen Ministerpräsidenten wählen – CDU und FDP hätten dabei dann voraussichtlich eine Ein-Stimmen-Mehrheit.
Die Grünen forderten ihre abtrünnige Abgeordnete zur Rückgabe ihres Landtagsmandats auf. „Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass sie ihr Landtagsmandat, das sie über die grüne Landesliste erhalten hat, mit sofortiger Wirkung zurückgibt“, teilten die Grünen-Landesvorsitzenden Meta Janssen-Kucz und Stefan Körner mit.
4 Aug 2017
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der CDU-Fraktionschef Björn Thümler weist den Vorwurf zurück, seine Fraktion habe der Überläuferin Elke Twesten Angebote gemacht.
Die Niedersachsen entscheiden erst nach der Bundestagswahl über ihre Landesregierung. Um Elke Twestens Parteiwechsel gibt es Gerüchte.
Die Abgeordnete Twesten habe ihre Unzufriedenheit nur angedeutet, sagt Fraktionschefin Anja Piel. Beim Parteiwechsel sei es um persönliche Gründe gegangen.
Eine Grüne in Niedersachsen stürzt die Landesregierung, weil sie von ihrer Partei gefrustet ist. Profitieren wird davon die ansonsten mittelmäßige CDU.
Rot-Grün in Niedersachsen verliert überraschend die knappe Mehrheit. Regierungschef Weil fordert nun eine rasche Neuwahl. Zurücktreten will er nicht.
Die Ministerpräsidenten von Bayern und Niedersachsen wollen Steuererleichterungen für neue Diesel-Autos. Unklar ist indes, wie die Umrüstung passieren soll – und wer zahlt.
Niedersachsens Polizisten sollen in Zukunft weniger in anderen Bundesländern aushelfen. Bisher sendete das Land mehr Einsatzkräfte aus als kamen