taz.de -- Frankreich vermittelt im Libyen-Konflikt: Vielleicht gibt es bald Wahlen

Frankreichs Präsident hat zwei Kriegsparteien in Libyen zusammengebracht. Das könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Bild: Ein Erfolg? Präsident Emmanuel Macron (Mitte) mit General Khalifa Haftar (links) und Libyens Ministerpräsident Fayez al-Sarraj

Paris taz | Sechs Jahre nach dem Sturz von Oberst Muammar Ghadhafi herrschen in Libyen noch immer chaotische Zustände und politische Instabilität. Nun scheint die international unterstützte Suche nach einer politischen Lösung in Libyen einen Schritt vorwärts gekommen zu sein. Auf Einladung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron haben sich im Schloss von La Celle-Saint-Cloud bei Paris der libysche Vorsitzende der Regierung in Tripolis, Fayez al-Sarraj, und sein in der östlichen Landeshälfte mit seiner Armee dominierende Rivale, Marschall Khalifa Haftar, mit dem Uno-Sonderbeauftragten Ghassan Salamé getroffen.

Allein schon die Tatsache, dass sich die beiden Libyer nun im Unterschied zur letzten Begegnung in Abu Dhabi auf eine gemeinsame Erklärung einigen konnten, zeugt von realemFortschritt bei der nationalen Aussöhnung der um die Vorherrschaft und die internationale Anerkennung rivalisierenden libyschen Fraktionen. Diese frommen Wünsche anschließend zu verwirklichen, ist zweifellos viel schwieriger, als sich in Frankreich für die Medien die Hand zu reichen.

Dem vom französischen Staatspräsidenten Macron organisierten Libyen-Treffen ging ein Patzer voraus, der in die Annalen eingehen dürfte. Während sich noch alle fragten, ob die beiden um die Staatsführung rivalisierenden Fraktionen sich dieses Mal in den wichtigen Streitfragen näher kommen würden, publizierte die französische Präsidentschaft aus Versehen bereits den Entwurf eines gemeinsamen Communiqués in zehn Punkten. Die Gastgeber mussten sich für diese peinliche Voreiligkeit bei den nach La Celle-Saint-Cloud geladenen Delegationen aus Libyen entschuldigen und die Medien ersuchen, für diesen Entwurf bis zur Pressekonferenz gefälligst eine Sperrfrist einzuhalten.

Aber handelte es sich wirklich um eine Freud'sche Fehlleistung oder um eine Absicht, Druck auf die feindlichen Brüder auszuüben? Für den Organisator dieser Begegnung, Präsident Macron, stand viel auf dem Spiel, es war seine erste diplomatische Initiative. Ein Misserfolg wie bei früheren Vermittlungsbemühungen zwischen den libyschen Fraktionen kam für ihn nicht infrage. Er war dafür sogar das Risiko eingegangen, die italienischen Partner zu verstimmen. In Rom wurde es nämlich nicht sehr geschätzt, dass Macron diese Libyen-Vermittlung im Alleingang angepackt und Italien nicht als Mitorganisator eingeladen hatte.

Stabilisierung Libyens wäre so wichtig

Der relative Erfolg kann Macron Recht geben: Die libyschen Parteien haben sich auf einen Waffenstillstand und eine Vereinigung der Streitkräfte im Kampf gegen Terroristen und kriminelle Milizen geeinigt. Die Schlusserklärung unterstreicht die Bedeutung einer politischen Lösung. Im Frühling sollen, wenn möglich,Präsidentschafts- und Parlamentswahlen unter Aufsicht von Uno-Beobachtern stattfinden.

Als Grundlage des nun eingeleiteten Dialogs zur nationalen Versöhnung gilt die politische Einigung von Skhirat in Marokko vom Dezember 2015. Die Absichtserklärung von La Celle-Saint-Cloud nennt als Ziel die Schaffung eines „souveränen, zivilen und demokratischen Rechtsstaats“, der die Gewaltentrennung und die Menschenrechte respektiert. Dass sich auch Haftar sich in klarer Weise zu zivilen Institutionen und zur Demokratie bekennt, ist das hervorzuheben, denn er wird von Kritikern bezichtigt, in Zusammenarbeit mit Salafisten ein autoritäres militärisches Regime mit religiösem Einschlag errichten zu wollen.

Eine Stabilisierung in Libyen ist für Europa wegen der Flüchtlingskrise von größter Bedeutung. Allein seit Jahresbeginn sind mehr als 90.000 Flüchtlinge in Italien eingetroffen. Die meisten von ihnen kamen aus Libyen. Falls es nun ausgerechnet Frankreich gelingen sollte, mit seiner Initiative den Friedensprozess im zerrissenen Libyen einzuleiten, würde das nicht einer gewissen Ironie entbehren; denn es war ein französischer Staatschef, Nicolas Sarkozy, der vor sechs Jahren den Krieg initiiert hatte, der zwar Ghadhafi zu Fall gebracht, das Land jedoch ins Chaos gestürzt hatte. „Macron leistet sich einen diplomatischen Coup“, kommentiert anerkennend Libération.

26 Jul 2017

AUTOREN

Rudolf Balmer

TAGS

Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Frankreich
Diplomatie
Libyen
Milizen in Libyen
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Flucht
Migration
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Rassemblement National
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Pariser Abkommen
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron

ARTIKEL ZUM THEMA

Frankreichs Ex-Präsident in Gewahrsam: Polizei befragt Sarkozy zu Libyenaffäre

Sind für Nicolas Sarkozys Wahlkampf im Jahr 2007 Gelder aus Libyen geflossen? Der Fall beschäftigt die französische Justiz seit Jahren.

Italiens Marine vor Libyen: Diplomaten vergessen Bürgerkrieg

Der italienische Marineeinsatz auf Wunsch der westlibyschen Regierung heizt den Krieg an. Damit wird auch das Flüchtlingselend vergrößert.

Migrantentransport in der Sahara: 70 Kilometer Niemandsland

Zwischen Niger und Libyen gibt es die Grenze nur auf dem Papier. Schmuggler und Armeen haben sich damit bestens arrangiert.

EU-Flüchtlingsrettung verlängert: Anhaltende Seenot

Die EU verlängert den Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen. Auch Italien knickt ein – und gibt den Druck an die NGOs weiter.

Waffenstillstand für Libyen: Große Versprechen, kleine Aussichten

Die Chancen auf einen Erfolg der Pariser Vereinbarung zwischen zwei Vertretern Ost- und Westlibyens sind schlecht. Die Macht haben andere.

Rechtsextreme in Frankreich: Zerreißprobe im Front National

Uneinigkeit und eine gewisse Ratlosigkeit dominieren die Führungsspitze des FN. Das Risiko einer Spaltung ist gewachsen. Es geht um die EU.

Rücktritt von französischem Armeechef: Macron ist hier der Chef

Erstmals seit fast 60 Jahren tritt in Paris ein Generalstabschef zurück – wegen Sparmaßnahmen. Macron demonstriert seine Autorität.

Treffen von Deutschland und Frankreich: Akzent auf Militärprojekte

Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam ein Kampfflugzeug entwickeln. Deutschland soll auch mehr bei Einsätzen in Afrika mithelfen.

Französische Regierung unter Druck: Stress mit dem Sparhaushalt

Macrons Regierung muss zusätzlich 4,5 Milliarden Euro einsparen. Das war so nicht eingeplant. Jetzt geht das Schwarzer-Peter-Spiel los.

Kampf gegen Erderwärmung: Frankreich sagt Adieu zur Kohle

Der Klimaplan der neuen Regierung sieht vor, dass bis 2022 kein Kohlestrom mehr fließen soll. Ziel ist es, ein CO2-neutrales Land zu werden.

Kommentar Macrons Grundsatzrede: En Marche durch die Institutionen

Macron versprach den Franzosen eine „Revolution“. Tatsächlich baut er ein paar politische Posten ab und seine eigene Machtfülle aus.

Grundsatzrede in Frankreich: Monsieur Macrons Allüren

In einer Rede vor dem Kongress in Versailles umreißt der Präsident die Richtlinien seiner Politik. Kritik gibt es an seinem imperialen Gehabe.