taz.de -- Französische Regierung unter Druck: Stress mit dem Sparhaushalt
Macrons Regierung muss zusätzlich 4,5 Milliarden Euro einsparen. Das war so nicht eingeplant. Jetzt geht das Schwarzer-Peter-Spiel los.
BERLIN taz | Frankreichs Regierung muss die Agenda ihrer Steuerpolitik revidieren. Die Skeptiker ahnten es, und der oberste Rechnungshof hat es inzwischen offiziell bestätigt: Frankreichs Staatsrechnung geht nicht auf. Mit den bisherigen Vorgaben ist das erklärte, beschworene und auch verfluchte Ziel, das Defizit unter die Schwelle von 3 Prozent BIP-Anteil zu bringen, nicht zu erreichen. Wiederholt hatte die EU-Kommission der Regierung in Paris in den vergangenen Jahren einen Aufschub gewährt, damit diese endlich unter der geforderten Defizitgrenze bleibe.
Schuld an der Misere sind nach Ansicht der neuen Regierung wie üblich die Vorgänger. Sie pochen auf den Bericht der obersten Buchprüfer, die sagen, die Haushaltspolitik der Sozialisten am Ende der Amtszeit von Präsident François Hollande grenze an „Unaufrichtigkeit“. Der Tadel schmerzt diese umso mehr, als der Vorsitzende des Rechnungshofs, Didier Migaud, ein Parteigenosse ist.
Der frühere Finanzminister Michel Sapin verwehrt sich gegen Migauds Vorwürfe und meint, die Haushaltspolitik während der Präsidentschaft Hollande sei im Gegenteil geradezu „in exemplarischer Weise seriös gewesen“. Die neue Regierung von Emmanuel Macron – der im Übrigen als Wirtschaftsminister von Hollande selber über die Finanzlage bestens informiert gewesen sei – wolle nur die Verantwortung für reelle Schwierigkeiten auf andere abwälzen.
Böse Hinterlassenschaften
Das sei die alte Masche der Politik, mit der sich bei jedem Machtwechsel die Staatsführung herausreden wolle. Doch Migaud bleibt dabei, dass es mehr als nur ein paar unvorhersehbare und daher durchaus entschuldbare Teuerungen seien. Er spricht von einem Loch in der Höhe von 8 Milliarden Euro als Hinterlassenschaft. Um dennoch in diesem Jahr, wie gegenüber der Europäischen Kommission versprochen, das Defizit im Staatshaushalt 2017 unter die 3-Prozent-Marke zu bringen, brauche es mindestens 4,5 Milliarden Euro zusätzliche Einsparungen. Das war so nicht vorgesehen.
Präsident Macron hatte vor seiner Wahl angekündigt, er wolle bereits für die kommenden fünf Jahre rund 60 Milliarden sparen. Zugleich aber möchte er für die Unternehmen und für die Privathaushalte bestimmte Steuern senken. Das war eine finanzpolitische Herausforderung für die Akrobaten im Finanzministerium.
Der aus der konservativen Partei „Les Républicains“ stammende Premierminister Édouard Philippe wollte das realpolitisch anpacken. In seiner Regierungserklärung verschob er die Auswirkungen der Steuersenkungen einfach auf später. Macron will der großen Mehrheit (80 Prozent der privaten Haushalte oder Steuerzahler) die bisherige lokale Wohnungssteuer „taxe d’habitation“ erlassen und diesen Ausfall an Einnahmen durch leichte Erhöhungen bei anderen Abgaben kompensieren. Außerdem sollen Investitionen in Unternehmen von der „Solidaritätssteuer“ auf hohe Vermögen ausgenommen werden.
Beide Änderungen wollte Philippe also erst am Ende der Präsidentschaft Macron ins Programm nehmen. Damit hat er Macrons Glaubwürdigkeit und Autorität infrage gestellt. Der Präsident stellt umgehend klar, seine Steuerreformen würden noch in diesem Jahr beschlossen und könnten ab 2018 in Kraft treten.
Die ohnehin knifflige Aufgabe des jungen Haushaltsministers Gérald Darmanin wird damit zu einer Hexerei. Wie von Zauberhand hat er jetzt einen neuen Plan veröffentlicht, der es ihm erlauben soll, die nötigen 4,5 Milliarden Euro einzutreiben. Ganz im Stil der liberalen Politik soll dies mit „weniger Staat“ geschehen. Alle Ministerien, inklusive Verteidigung, müssen bei den Verwaltungskosten intern sparen, ohne deswegen zusätzlich Beamtenstellen zu streichen.
Damit reicht Darmanin den Schwarzen Peter an seine Regierungskollegen weiter, die in ihren Ministerien Jagd auf zum Fenster hinausgeworfenes Geld machen sollen. Das dies tatsächlich existiert, sagt der jährliche Bericht des obersten Rechnungshofs. Nur hatte bisher selten jemand diese mahnenden Rapporte ernst genommen.
Lesen Sie [1][hier das Interview] mit dem Ökonom Heiner Flassbeck zu Macrons Wirtschaftspolitik.
11 Jul 2017
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