taz.de -- Kommentar Macrons Grundsatzrede: En Marche durch die Institutionen
Macron versprach den Franzosen eine „Revolution“. Tatsächlich baut er ein paar politische Posten ab und seine eigene Machtfülle aus.
Von Montebourg über Mélenchon bis zu den Populisten hatten viele Politiker in Frankreich den WählerInnen von der „Sechsten Republik“ vorgeschwärmt. Mit mehr Demokratie und Wohlfahrt sollte sie die bisherige Fünfte ersetzen. Was bisher nur Wahlpropaganda gewesen ist, soll nun unter Emmanuel Macron Realität werden. Oder war das, [1][was er in Versailles vor dem Kongress angekündigt hat], nur Nachwahl-Rhetorik?
Der neue Präsident hat einen Eilmarsch durch die Institutionen angekündigt, mit dem das Gefüge des politischen Systems umgepflügt werden solle: Viel weniger Parlamentarier als bisher, eine teilweise Verhältniswahl zur Verbesserung der Repräsentativität, ein Forum für den Dialog zwischen BürgerInnen und Staat. Der Präsident hat dabei auch sich selber nicht vergessen: Seine eigene Position als unbestrittener Boss wird nicht etwa „normalisiert“, wie dies sein Vorgänger in kläglicher Weise versucht hatte, sondern noch verstärkt.
Das also ist die „Revolution“, von der Macron in einem gleichnamig betitelten Buch gesprochen hatte. Niemand kann sagen, diese Reform der Institutionen komme überraschend. Wer keine Gebrauchsanweisungen liest und dann ratlos dasteht, ist selber schuld. Hingegen darf man sich in Frankreich zu Recht fragen, ob es nicht viel Wichtigeres gibt, als über die Zahl der gewählten Mandatsträger oder die Abschaffung der Sondergerichtsbarkeit für (mutmaßlich) korrupte Minister zu streiten.
Immerhin hat Macron auch versprochen, dass im Herbst der Ausnahmezustand beendet und so den Bürgern die Freiheit zurückgegeben werde. Klingt konkret, ist aber kein Geschenk: Zuvor nämlich werden diverse umstrittene Eingriffe in die Bürgerfreiheiten in Sicherheitsgesetzen verankert. Macrons Strategie ist also doppelzüngig und gar nicht revolutionär. Sie klingt eher nach den altbekannten Praktiken der Fünften Republik, die in Frankreich die Politik diskreditiert und die Glaubwürdigkeit der Staatschefs untergraben haben.
4 Jul 2017
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Emmanuel Macrons Bewegung kämpft vor dem ersten Parteitag mit internen Kritikern. Diese bemängeln Strukturen wie im Ancien Régime.
Der Ausnahmezustand in Frankreich ist beendet. Neue Paragrafen verschärfen zugleich die Möglichkeiten der Polizei, Verdächtige zu überwachen.
Mehrere Menschen wurden verletzt, als ein Fahrzeug in einem Pariser Vorort in eine Soldatengruppe fuhr. Die Pariser Anti-Terror-Abteilung ermittelt.
In Paris wird heftig über die Präsidentengattin diskutiert. Kein Wunder, denn Macron hat die Geschichte seiner Ehe im Wahlkampf skrupellos inszeniert.
Frankreichs Präsident hat zwei Kriegsparteien in Libyen zusammengebracht. Das könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein.
In einer Rede vor dem Kongress in Versailles umreißt der Präsident die Richtlinien seiner Politik. Kritik gibt es an seinem imperialen Gehabe.
Ist es seine Begeisterungsfähigkeit, sein Charisma? Macron hat beides, entscheidend ist aber etwas anderes. Es ist, was er beim Einzelnen auslöst.
Macron hat Politiker mit Vergangenheit durch weniger exponierte Fachleute ersetzt. Er zahlt einen hohen Preis, um die Regierung vor Vorwürfen zu schützen.
Die Partei des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat eine klare Mehrheit bekommen. Die Wahlbeteilung war historisch tief.