taz.de -- Streit über Naturschutzgebiet: Bloß keine Natur in der Elbe

Niedersachsens grüner Umweltminister will neues Naturschutzgebiet in der Elbmündung ausweisen. Hamburg und Hafenverbände fürchten um Elbvertiefung
Bild: Seehund oder Schiff: der ewige Konflikt zwischen Naturschutz und Hafenwirtschaft

HANNOVER taz | Stefan Wenzel ist im Wahlkampf-Modus. Die Empörung in der norddeutschen Hafenwirtschaft an dem von seinem Hause geplanten Naturschutzgebiet im Mündungstrichter der Elbe lässt Niedersachsens grünen Umweltminister kalt. Es wäre hilfreich, wenn die Kritiker sich mit den rechtlichen Grundlagen auseinandersetzen würden, sagt er: „Lautstärke kann gute Argumente nicht ersetzen.“ Und selbstredend bleibe es Hamburg unbenommen, seine Stellungnahme im Beteiligungsverfahren abzugeben.

Dabei spaltet die Auseinandersetzung selbst die noch geschäftsführende amtierende rot-grüne Landesregierung in Hannover. „Die seewärtigen Zufahrten zu unseren Häfen dürfen nicht eingeschränkt werden“, fordert Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der ebenfalls im vorgezogenen Landtagswahlkampf in Niedersachsen steckt. Schon im Hinblick auf die geplante Elbvertiefung hält er „eine Ausweisung als Naturschutzfläche für nicht akzeptabel“.

Deshalb schlägt Lies ein Moratorium vor, um gemeinsam mit Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein „nach nachhaltigen Lösungen für eine gedeihliche Entwicklung der Wirtschaft im Einklang mit dem Naturschutz zu suchen“.

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) will im Mündungstrichter der Elbe zwischen Cuxhaven und Freiburg ein Naturschutzgebiet ausweisen. Es umfasst fast 8.500 Hektar Watt- und Wasserflächen, die als bedeutende Nahrungs-, Aufzucht- und Mausergebiete für zahlreiche Watt- und Wasservögel dienen. Auch wandernde Fischarten sowie Schweinswale und Seehunde müssten dort geschützt werden.

Niedersachsen hatte die Unterelbe bei der EU nach der Richtlinie Fauna-Flora-Habitat (FFH) und der Vogelschutzrichtlinie als europäisches Schutzgebiet gemeldet, die nachträgliche Umsetzung in nationales Recht sei nun verpflichtend, so der NLWKN. So sieht das auch der BUND Niedersachsen, deshalb dürfe Lies das nicht „ohne Weiteres infrage stellen“.

Wenn aber im Schutzgebiet zum Beispiel kein Schlick mehr ausgebaggert werden dürfte, könnte das negative bis desaströse Folgen für die Fahrrinne nach Hamburg haben, die für Mega-Containerfrachter ausgebaggert werden soll. Zudem läge ein Gebiet namens Glameyer Stack-Ost im künftigen Schutzgebiet – eine tiefe Stelle in der Außenelbe vor Otterndorf, wo ein große Menge Baggergut eingelagert werden soll.

Kein Wunder also, das Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) um die Elbvertiefung fürchtet, die in Hamburg als Schicksalsfrage gilt. „Die seewärtigen Zufahrten zu den großen deutschen Häfen dürfen nicht in einen umfassenden Verbotskatalog einer Naturschutzgebietsverordnung einbezogen werden“, stellt Horch klar. Die Naturschutzziele seien auf das „europarechtlich notwendige Maß zu beschränken“, so Horch.

Auch die Hafenverbände sorgen sich wegen etwaiger Auswirkungen auf die Elbvertiefung, die vom Bundesverwaltungsgericht im Februar zunächst als „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ gestoppt wurde. In einer Planergänzung sollen nun Rettungsmaßnahmen für den bedrohten Schierlings-Wasserfenchel das Großprojekt doch noch ermöglichen. Der Planfeststellungsbeschluss zur Ausbaggerung der Fahrrinne jedoch könne durch nachträgliche Ausweisung eines Schutzgebietes nicht beeinträchtigt werden, lautet die erste juristische Analyse der Wirtschaftsbehörde.

Das sieht der Umweltverband BUND in Hamburg, einer der Kläger gegen die Elbvertiefung, anders. „Das neue Schutzgebiet müsste in die Planergänzung nachträglich eingearbeitet werden“, sagt dessen Hamburg-Chef Manfred Braasch. „Alles andere wäre angesichts des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht juristisch fahrlässig.“

25 Aug 2017

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Sven-Michael Veit

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