taz.de -- Kommentar Stephan Weils VW-Rede: Ein Lob der Transparenz

Mit der Veröffentlichung seiner umstrittenen Rede über VW setzt Ministerpräsident Weil Maßstäbe. So viel Transparenz sollte es immer geben.
Bild: Eigentlich ganz transparent: Die Scheiben dieses VW-Bullis

Manchmal führen politische Skandale, selbst wenn es nur vermeintliche Skandale sind, zu überraschenden Einsichten. Die Staatskanzlei des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) hat jetzt [1][das Manuskript seiner umstrittenen Rede über VW online gestellt]: mit allen Redigaten, Redigierwünschen von VW – und juristischen Beratern. Dieses Manuskript gibt nicht nur einen Einblick in die Arbeitsweise deutscher Politik. Seine Veröffentlichung setzt Maßstäbe.

Denn das Dokument ist so erhellend, dass man sich fragt: Warum ist eine solche Veröffentlichung eigentlich nicht Standard? Für alle Reden in allen deutschen Parlamenten? So dass immer klar und deutlich wird, wer wann wo mit welcher Intention Einfluss nehmen wollte. Wann das Erfolg hatte. Und wann nicht.

Und wo wir schon dabei sind: Noch wichtiger wäre das natürlich noch für konkrete Gesetzentwürfe, bei denen es ja nicht um die Verbreitung von mehr oder weniger gehaltvollen Floskeln, sondern um konkrete Politik geht.

Denn Lobbyismus, den man immer dann, wenn einem die Handelnden in den politischen Kram passen, gern auch als Beteiligung gesellschaftlich relevanter Gruppen bezeichnet, und die Verbandelung von Politik und Wirtschaft wird in keinem denkbaren System vollkommen zu verhindern sein. Die Nähe ist sogar wünschenswert, wenn Politik Wirtschaft kompetent kontrollieren soll. Ob sie das gut macht, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Und dafür ist das unbedingte Einblickrecht des Bürgers Grundvoraussetzung.

Dummerweise werden nicht die Piraten, die sich die totale Transparenz auf die Fahnen geschrieben hatten, in den nächsten Bundestag einziehen, sondern die FDP. Die tut zwar gern liberal, aber wenn es um Offenlegung wirtschaftlicher Interessen geht, darf man nichts von ihr erwarten. Sie hätte viel zu verlieren – deutlich mehr als ein Ministerpräsident in Hannover.

7 Aug 2017

LINKS

[1] /Einmischung-von-VW-bei-einer-Rede/!5438714/

AUTOREN

Gereon Asmuth

TAGS

SPD Niedersachsen
Dieselskandal
Transparenz
Niedersachsen
Volkswagen
Stephan Weil
Dieselskandal
Dieselskandal
Dieselskandal
Dieselskandal
Niedersachsen

ARTIKEL ZUM THEMA

Einmischung von VW bei einer Rede: Niedersachsen legt Manuskript offen

Die Landesregierung gibt sich transparent und gibt zwei Textversionen der Rede von Ministerpräsident Weil frei. Die darin geäußerte Kritik an VW sei erhalten geblieben.

Kommentar Stephan Weils VW-Rede: Das Dilemma des doppelten Amts

Niedersachsens Ministerpräsident soll seine Rede zum Dieselskandal mit VW abgestimmt haben. Nicht schlimm – schließlich ist er im VW-Aufsichtsrat.

Niedersächsische Neuwahl im September: Trubel im VW-Land

Stephan Weil hat eine Regierungserklärung mit VW abgesprochen. Die Kritik daran hält er für Wahlkampfgetöse.

Niedersachsens Regierung und VW: Die Sache mit dem Skript

Hat der VW-Konzern eine Rede des Ministerpräsidenten schöngeschrieben? Das will „Bild am Sonntag“ recherchiert haben. Stephan Weil bestreitet den Vorwurf.

Kommentar Neuwahl in Niedersachsen: Loser im Verlieren

Eine Grüne in Niedersachsen stürzt die Landesregierung, weil sie von ihrer Partei gefrustet ist. Profitieren wird davon die ansonsten mittelmäßige CDU.