taz.de -- Berliner Szenen: Ende, Rinderlende
Wie ein Ufo war das 35-Euro-Steakrestaurant im Reuterkiez gelandet. Jetzt ist es weg und ich bin stolz auf Neukölln. Weil es Stil bewiesen hat.
Die Fenster sind von innen mit grauen Papierbahnen verhängt, nichts weist auf Urlaub oder Umbau hin. Es ist wirklich wahr: Das „Filetstück“ hat zugemacht.
Vor knapp zwei Jahren kam es über Nordneukölln wie ein fleischiger Reiter der Gentrikalypse: Im Eckhaus Sander-/Friedelstraße kündigten Schilder an, dass hier bald das „Filetstück Kreuzkölln“ aufmachen würde, die dritte Filiale des Steakrestaurants nach Prenzlauer Berg und Wilmersdorf.
Am nächsten Tag hatte jemand „Nur Opfer sagen“ über „Kreuzkölln“ geschrieben. Das wurde zwar weggewischt, der Name der Filiale war letztlich dennoch „Filetstück Pigalle“, in Erinnerung an den Puff, der in dem Haus vor vielen Jahren mal war. Seitdem konnte man hier also 35-Euro-Dry-aged-Steaks unter Kronleuchterkopien essen. Jetzt nicht mehr.
Ich freue mich wie ein Kind und bin stolz auf meinen Kiez. Nicht, weil wir jetzt die Gentrifizierung besiegt hätten. Denn natürlich wohnen hier längst genug Leute mit Geld und Lust auf Gut-Essen-Gehen. Nordneukölln hat diverse gut laufende höherklassige Restaurants: Chicha, Eins44, Txokoa, Industry Standard, bis vor Kurzem noch das Nansen. Aber alle passen hierher, geben einem im besten Fall so ein „Wuuh, junger aufregender Stadtteil“-Feeling.
Das Filetstück war wie ein Ufo, vom ersten Tag an. Die Einrichtung, die Attitüde, die mit Empfehlungsaufklebern aus Restaurantbeilagen und Internetportalen zugekleisterten Fenster. Es gab einen teuren Mittagstisch, wo es keine teuren Arbeitsplätze gibt – und am Sonntag, wo viele Leute im Viertel abends essen gehen, war Ruhetag.
Und deswegen freue ich mich jetzt. Darüber, dass miese, uninspirierte Konzepte abkacken und nicht jeder Luxusshit aus dem Baukasten einfach in jede Gegend gesetzt werden kann. Neukölln hat Stil bewiesen. Danke.
19 Jul 2017
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