taz.de -- Zwang zur nächtlichen Ruhe: Pause für die Partykultur

Leipzig hat lange mit seiner liberalen Haltung gegenüber Nachtclubs geworben. Doch eine Sperrstunde für das IfZ markiert einen Kurswechsel.
Bild: „So: 5 Uhr, raus mit Euch! In einer Stunde könnt Ihr wiederkommen“

Es ist eine überraschende Auflage, zu der das Ordnungsamt Leipzig den Nachtclub „Institut fuer Zukunft“ (IfZ) Anfang Juni verdonnert hat. Und eine folgenreiche: Das IfZ ist nicht nur international renommiert, sondern auch in Leipzig eine der wichtigsten clubkulturellen Stätten. Nun muss der Clubbetrieb zwischen fünf und sechs Uhr morgens für eine Stunde pausieren. Grundlage ist die Sperrstundenklausel des Sächsischen Gaststättengesetzes, das laut Ordnungsamt für alle Betriebe in Sachsen gilt.

In Leipzig hat man die Angelegenheit bislang flexibel betrachtet, kaum ein Nachtbetrieb musste seine Pforten zu besagter Zeit tatsächlich schließen. Viel mehr noch: Die Stadt warb damit, dass sie solche Regelungen nicht vollzieht. Auf der Website der Stadt ist dieser Hinweis nun verschwunden. Auch aus den Imagebroschüren wolle man die Klausel rausnehmen, erklärt Mathias Klotz, Referent des Ordnungsamts Leipzig.

Woher der Kurswechsel komme, wisse er nicht. Über das weitere Vorgehen werden sich jedoch „alle Beteiligten zeitnah verständigen“. Doch auch, warum es nun unter den zahlreichen in Wohngebieten ansässigen Nachtclubs gerade das IfZ trifft, bleibt vage. Auch wenn die Vermutung naheliegt, dass Lärmbeschwerden der Grund für das Durchgreifen waren, sind Lautstärkeemissionen und die Sperrstundenregelungen im Grunde genommen zwei verschiedene Angelegenheiten.

Auf Anwohnerbeschwerden wird laut Anwalt des IfZ normalerweise mit anderen Maßnahmen wie Geldstrafen reagiert – nicht mit der Auflage einer Sperrstunde. Dass tatsächlich die zulässige Lautstärke überschritten worden ist, sei nach eigenen Messungen des Clubs unwahrscheinlich. „Es gibt zwar den Vorwurf der Lärmbelästigung, aber keine genauen Hinweise“, sagt Alexander Loth, IfZ-Geschäftsführer.

Die Betreiber bemühen sich nun auf mehreren Ebenen um eine Lösung. Zum einen gibt es Gespräche mit dem Ordnungsamt und den Anwohnern. Des Weiteren haben sie einen Brief an diverse öffentliche Stellen und Parteien verfasst, in dem sie ihre Lage schildern. „Die Regelung wird auf Dauer dazu führen, dass das Publikum sukzessive weniger und der Veranstaltungsort mehr und mehr gemieden wird“, so die Betreiber. Bislang gab es keine öffentliche Stellungnahme der Behörden.

Das Kulturamt versichert, dass man mit dem Ordnungsamt in den Dialog treten werde. „Wir wissen um die Bedeutung des Clubs“, so Tobias Kobe, Referent der Kulturbürgermeisterin. Man wisse, dass dieser für die sächsische Kulturlandschaft ein Alleinstellungsmerkmal habe. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen könne jedoch noch einige Wochen dauern.

3 Jul 2017

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Sarah Ulrich

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