taz.de -- Urteile zur Mietpreisbremse: Wirrwarr auf dem Markt

Im einen Stadtteil wirkt sie, im anderen nicht: Nach zwei Hamburger Gerichtsurteilen herrscht Unklarheit über die Mietpreisbremse.
Bild: Noch im Rahmen oder schon zu teuer? In Hamburg ist das bei den Wohnungsmieten nicht immer ganz eindeutig

Hamburg taz | Eigentlich sollte die Mietpreisbremse vor überteuerten Mietverträgen schützen. In Hamburg sorgt das Gesetz aber hauptsächlich für Verwirrung. Die Amtsgerichte scheinen sich nicht einig zu sein, ob sie die Bremse für wirksam erachten.

Fall 1, Amtsgericht Altona: Ein Mieter fordert eine Rückerstattung von 2.100 Euro von seinem Vermieter. Am 23. Mai wird bekannt, dass das Gericht die Klage ablehnt. Im Urteil heißt es, dass die Stadt Hamburg den Erlass der Mietbegrenzungsverordnung nicht ausreichend begründet habe. „Die Begründung war nicht öffentlich zugänglich“, bestätigt auch John Siebke, Anwalt des beklagten Vermieters. Die Mietpreisbremse ist demnach unwirksam.

Fall 2, Amtsgerichte St. Georg: Ein Mieter aus Hohenfelde erwirkt eine um 240 Euro verringerte Netto-Kaltmiete. Das Urteil wird am 22. Juni gefällt. Die Richterin begründet das Urteil unter anderem mit der angespannten Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt und bezieht sich auf die Begründung der Verordnung. Die Mietpreisbremse ist demnach wirksam.

Stadt sieht keinen Handlungsbedarf

Für Siegmund Chychla, Vorsitzender des [1][Mietervereins zu Hamburg], ist der Fall klar: „Der Altonaer Richter hatte die Begründung des Senats nicht vorliegen“, sagt er. Bei der Richterin in St. Georg war das anders: In ihrem Urteil bezieht sie sich ganz klar auf die Begründung der Verordnung. Doch obwohl die Urteile gegensätzlicher nicht sein könnten, sieht die Stadt keinen Handlungsbedarf: „Die Mietpreisbremse ist in Hamburg rechtssicher begründet“, sagt Magnus-Sebastian Kutz, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen.

Doch diese Verwirrung ist für den Mieterverein und den Verein [2][Mieter helfen Mietern] nicht das Hauptproblem – das bestehe in den vielen Ausnahmeregelungen. Beide fordern die Stadt darum auf, diese zu streichen. Damit würde die Mietpreisbremse gleich sehr viel transparenter werden. So sind zum Beispiel Neubauten von der Mietpreisbremse ausgeschlossen – derzeit ist jedoch nicht definiert, was als Neubau gilt. Oft beziehen sich Vermieter daher auf umfangreiche Sanierungen und berufen sich auf die Neubauregelung.

Ausnahmeregelungen ausgenutzt

„Viele schicken nur den Maler durch“, sagt Siegmund Chychla. Das ist ihnen Grund genug, die Miete zu erhöhen und die Wohnungen als saniert zu bezeichnen. Eve Raatschen vom Verein Mieter helfen Mietern schildert Ähnliches: „Viele Vermieter bauen eine Einbauküche ein, schleifen den Fußboden ab und sagen, das ist ein Neubau.“ Damit werde die Ausnahmeregelung des Neubaus sinnwidrig ausgenutzt.

Laut Mieterverein gibt es in Hamburg etwa 56.000 Neuanmietungen pro Jahr. Bei Neuvermietungen sind aber eigentlich nur zehn Prozent Mietsteigerung erlaubt. Das Problem: Viele wissen gar nicht, wie viel der Vormieter eigentlich gezahlt hat. Das nutzen Vermieter oft aus. Nach einer Auswertung der Wohnungsanzeigen kommt der Mieterverein zu dem Ergebnis, dass rund 35.000 Wohnungen in Hamburg überteuert sind.

Wer nach dem 1. Juni 2015 einen Mietvertrag abgeschlossen hat, kann ausrechnen, ob er zu viel zahlt. Dazu reicht der Vergleich der eigenen Miete mit dem ortsüblichen Durchschnitt. Alternativ gibt es kostenlose Online-Angebote. Zahlt man zu viel, sollte man rechtlichen Beistand suchen. Auch das bieten Vereine wie der Mieterverein zu Hamburg oder Mieter helfen Mietern. Eine Klage lohne sich in vielen Fällen, sagt Siegmund Chychla.

21 Jul 2017

LINKS

[1] https://www.mieterverein-hamburg.de/de/
[2] https://mhmhamburg.de

AUTOREN

Katharina Kücke

TAGS

Mieten
Mietpreisbremse
Gentrifizierung
Mieterverein
Die Linke Berlin
Miete
Mietpreisbremse
Hamburg
Mietpreisbremse

ARTIKEL ZUM THEMA

Berliner Wochenkommentar II: Tafelsilber verhökern? Erst fragen!

Linken-Landesvorsitzenden Katina Schubert hat vorgeschlagen, eine Privatisierungsbremse in der Berliner Landesverfassung zu installieren.

Bilanz des Mieterbundes: Wenig Erfolg beim Wohnungsbau

Nach knapp vier Jahren Großer Koalition bilanziert der Mieterbund: Der soziale Wohnungsbau läuft zu langsam, die Mietpreisbremse wirkt nicht.

Mietpreisbremse wirkt nicht: Des Altbaus neue Kleider

Hamburgs Mietpreisbremse ist rechtlich unwirksam, entschied das Amtsgericht Altona. Mietervertreter kritisieren, dass sie auch sonst zu wenig bringt.

Studie zur Mietpreisbremse: Mieten bleiben überteuert

Laut einer Studie zahlen Mieter regelmäßig weitaus mehr für ihre neue Wohnung, als vorgeschrieben ist. Der Mieterverein fordert gesetzliche Verschärfungen.

Online-Portal wenigermiete.de: Die Bremse ziehen

Das Gesetz zur Eindämmung der Neuvermietungspreise ist wirkungslos. Eine Webseite hilft, überhöhte Mieten zu erkennen – und zu senken.