taz.de -- Kommentar zu CDU & Tegel: Ersehnter Freibrief für die Parteichefin

Selbstverständlich ist die CDU in Sachen Tegel eine Umfallerpartei. Letztlich darf sie jetzt aber sagen, was viele schon immer gedacht haben.
Bild: Von hier soll weiter geflogen werden, sagt die CDU

Tadaa! Die CDU-Basis ist für die Offenhaltung von Tegel: Wer hätte das gedacht?! Das Ergebnis der Mitgliederbefragung ist ein weiterer Triumph für die TXL-Fans, allen voran FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja – und der sehnlich erwartete Freibrief für die christdemokratische Parteispitze, beim Thema Tegel den R2G-Senat wie ein quiekendes Schweinchen vor sich hertreiben zu können.

Dass Politiker wie Generalsekretär Stephan Evers sich damit nach nicht mal einem Jahr Opposition diametral selbst widersprechen – was soll's. Nur noch ein paar aufrechte Reinickendorfer wie Bezirksbürgermeister Frank Balzer und der Bundestagsabgeordnete Frank Steffel bleiben dabei: Tegel muss in Rente geschickt werden, aus hundert guten Gründen.

Natürlich hagelt es aus dem Senat jetzt Kritik an der Umfallerpartei CDU. Allerdings sollten sich die rot-rot-grünen Regierenden ruhig ein bisschen in Bescheidenheit üben. Erstens, weil alle PolitikerInnen, denen es auch nur ein bisschen um die Macht geht (modern ausgedrückt: um Gestaltungsspielraum), vor solchen Richtungsschwenks nicht gefeit sind.

Wenn alte Versprechen plötzlich unpopulär werden oder taktische Gewinne locken, sind die Wenigsten auf ewig vor dem Umkippen gefeit. Wer wirklich Bauchschmerzen davon bekommt, verweist dann halt auf die bad guys in den eigenen Reihen, denen er sich beugen musste.

Aber auch die Kritik am Mittel der Mitgliederbefragung ist ein zweischneidiges Schwert. Es mag die falsche Position sein, die die CDU-Basis jetzt vertritt, aber es ist eine mehrheitliche. So zu tun, als seien die Parteimitglieder eine leicht formbare Masse, der die Parteispitze jetzt eben den Offenhaltungswunsch aufgedrückt hat, ist dann doch eher das Gegenteil einer basisdemokratischen Haltung.

Im Grunde dürfte es eher so gewesen sein: Das christdemokratische Fußvolk war nie überzeugt vom TXL-Aus. Es war die Koalitionsräson unter Rot-Schwarz, die es den CDU-Politikern verbot, darüber auch nur nachzudenken. Das ist jetzt eben vorbei.

3 Jul 2017

AUTOREN

Claudius Prößer

TAGS

Volksentscheid Tegel
CDU Berlin
Monika Grütters
Fluglärm
Volksentscheid Tegel
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Michael Müller

ARTIKEL ZUM THEMA

Fluglärm und Anwohner: Der Himmel fliegt in Fetzen

Wer in einer Einflugschneise lebt, gehört zu den Modernisierungsverlierern. Das zieht Scham, Wut und Ohnmacht nach sich.

Volksentscheid über Flughafen: CDU will jetzt mit Tegel landen

Die CDU-Basis spricht sich mit großer Mehrheit für den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel aus. Damit sind die Fronten für den Volksentscheid geklärt.

Tegel-Debatte im Landesparlament: Showdown im Anflug

Heftige Debatte im Abgeordnetenhaus in Sachen Flughafen Tegel. Die CDU zeigt sich beim Volksentscheid noch arg tendenziös unentschieden.

Berlins Regierender im Interview: „Wir schätzen die Vorzüge von Tegel“

Egal wie der Volksentscheid im September ausgeht: Tegel müsse geschlossen werden, sagt Michael Müller – und stellt eine verbesserte Anbindung des BER in Aussicht.