taz.de -- Urteil zur Dresdner Bahn: Kein Tunnel für Tunnelfreunde
Anwohner scheitern vor dem Bundesverwaltungsgericht mit der Klage, die Strecke der Dresdner Bahn in Lichtenrade unterirdisch auszubauen: Der Lärm sei zumutbar.
Für Neuberliner wird es künftig noch kniffliger, Lichtenrade von Lichterfelde zu unterscheiden: Dank einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Donnerstag wird bald eine meterhohe Mauer durch den Süden von Tempelhof gezogen – analog zu den beiden Lichterfeldes gibt es dann ein Lichtenrade-Ost und ein Lichtenrade-West.
So sieht es jedenfalls die „Bürgerinitiative Dresdner Bahn“, die einen „schwarzen Tag für Lichtenrade“ beklagt. Dabei haben die Richter in Leipzig keinen Mauerbau befohlen, sondern eine Anwohner-Klage gegen die Pläne der DB AG abgewiesen, die Trasse der „Dresdner Bahn“, die durch ihr Wohngebiet führt, oberirdisch auszubauen. Weil dort dann nicht mehr nur S-Bahnen, sondern auch Regionalzüge und ICEs fahren sollen, wird die Strecke mit Lärmschutzwänden eingerahmt. „Der Weg für die Teilung von Lichtenrade ist frei“, formuliert die Initaitive, die einen Tunnel forderte, nicht ohne Pathos.
Verkürzte Fahrzeit zum BER
Das Urteil schafft Rechtssicherheit für ein wichtiges Projekt: Die Dresdner Bahn, nach Krieg und Teilung bis heute für den Fernverkehr unbenutzbar, beschleunigt die Fahrt in die sächsische Hauptstadt von 120 auf 80 Minuten – und verbindet den Flughafen BER auf kürzestem Wege mit der Berliner Innenstadt. Sollte der Pannen-Airport in zwei Jahren doch noch abheben, muss der Flughafenexpress zum Hauptbahnhof vorerst einen großen Umweg über die Trasse der Anhalter Bahn nehmen. Die angepeilte Fahrtzeit von 20 Minuten lässt sich nur über Lichtenrade erreichen.
„Die der Planfeststellung zugrunde gelegten Prognosen über den voraussichtlichen Zugverkehr“, befand das Gericht, seien „ebenso wenig zu beanstanden wie die Berechnungen der danach zu erwartenden Geräusche und Erschütterungen“. Die Belastung sei zumutbar, und da die Eisenbahnstrecke seit 1875 durch den Ortsteil führe und nie entwidmet wurde, sei es vertretbar, dass die Grenzwerte für Erschütterungen höher liegen als bei Neubauvorhaben. Sprich: Wer am Bahndamm wohnt, muss damit rechnen, dass dort irgendwann Züge fahren.
18 Jahre Kampf
Geschlagene 18 Jahre lagen sich Politik, Bahn und Bürger in den Haaren. Die akustisch und ästhetisch optimale, aber um ein Vielfaches teurere Tunnellösung wollte die DB nicht, der Senat schlug sich auf die Seite der Lichtenrader und warb beim Bund als Bahn-Eigentümer für die unterirdische Option – aber zu kraftlos, wie jetzt Politiker von den Grünen bis zur FDP unisono kritisieren.
„Die Bundesregierung und der alte rot-schwarze Senat tragen die Verantwortung, weil sie sich nicht ausreichend für eine bessere Lösung eingesetzt haben“, findet Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Seine Fraktion habe den „einzigen echten Vorschlag auf den Tisch gelegt“, das Dilemma aufzulösen: Die Mittel für die Verlängerung der A100 hätten für den Bau eines Bahntunnels umgewidmet werden sollen. Die anderen Parteien habe das nicht interessiert. Deshalb, so Gelbhaar, gehe ihm „insbesondere das Jammern der CDU mächtig auf den Docht – es populistisch zu nennen ist noch eine krasse Untertreibung“. CDU-Fraktionschef Florian Graf hatte verkündet, der SPD sei „letztlich egal, dass die Gesundheit der Lichtenraderinnen und Lichtenrader massiv beeinträchtigt“ werde.
Aus der Verkehrsverwaltung heißt es, man müsse nun „die oberirdische Trassenführung so stadtverträglich wie möglich gestalten“. Land und Bund würden gestalterische Maßnahmen unterstützen, etwa bei der Gestaltung der Brücken und der Lärmschutzwände. In jedem Fall dauert es noch eine Weile, bis auf der neuen Dresdner Bahn wirklich etwas rollt. Von einem Start im Jahr 2024 ist inzwischen die Rede. Die Lichtenrader haben also genug Zeit, sich an den großen Graben zu gewöhnen.
29 Jun 2017
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