taz.de -- Energiepolitik von FDP und Grünen: Wieviel Kohle verträgt Jamaika?

In NRW bremst FDP-Chef Lindner die Energiewende aus. Trotzdem buhlt er im Bund um ein Bündnis mit den Grünen – zur Freude von Cem Özdemir.
Bild: Haben zusammen viel zu lachen: Christian Lindner (im Bild: links) und Cem Özdemir (rechts)

Berlin taz | Wenn man die politischen Programme vergleicht, liegen Welten zwischen Christian Lindner und Cem Özdemir. Der FDP-Vorsitzende hat in Nordrhein-Westfalen gerade einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, der den Bau von Windrädern auf 80 Prozent der Landesfläche verhindert, Braunkohlekraftwerke uneingeschränkt weiterlaufen lässt und auf Bundesebene für einen Stopp neuer Subventionen für erneuerbare Energien eintritt.

Die Grünen, deren Ko-Chef Özdemir ist, haben jüngst hingegen eine Beschleunigung der Energiewende beschlossen und wollen spätestens im Jahr 2030 keine Kohlekraftwerke mehr nutzen und keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zulassen.

Ein Jamaika-Bündnis zwischen Union, FDP und Grünen scheint auf dieser Grundlage kaum vorstellbar. Und als Özdemir und Lindner am Donnerstag beim Branchentag der Energie- und Wasserwirtschaft in Berlin aufeinandertrafen, ging es dementsprechend hart zur Sache. Ein Ausstieg aus Kohle und Verbrennungsmotor bis 2030 sei „physikalisch unmöglich“, erklärte Lindner – und stichelte in Richtung Özdemir: „Womit willst du im Jahr 2030 deinen Tesla aufladen, wenn es keine Braunkohlekraftwerke mehr gibt?“ Özdemir war Lindner eine rückwärtsgewandte Politik vor: „Investitionen in Kohle sind keine Investitionen in die Zukunft“, rief er.

Doch die inhaltlichen Differenzen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der FDP- und der Grünen-Chef schätzen – und gern im Bund miteinander koalieren würden. „Es tut der FDP gut, wenn sie jemanden an ihrer Seite hat, der etwas von Energiepolitik versteht“, sagte Özdemir – unter Anspielung auf die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein, wo die Grünen gegen Union und FDP ein Festhalten an der Energiewende durchgesetzt haben. Der dortige FDP-Chef Wolfgang Kubicki „redet ja schon wie ein Grüner“, sagte Özdemir. Und Lindner betonte, er freue sich auf Koalitionsverhandlungen mit den Grünen, „weil Reibung Energie ergibt“ – womit er nebenbei erneut unter Beweis stellte, dass die Physik nicht seine Stärke ist.

Daneben bemühten sich beide, die inhaltlichen Hürden für eine Koalition nicht zu hoch zu bauen. Özdemir verzichtete auf Nachfrage ausdrücklich darauf, den Kohleausstieg bis 2030 zu einer Bedingung für eine Koalition zu machen und stellte sich hinter die von der Großen Koalition eingeführten Ausschreibungen für neue Wind- und Solaranlagen, die die Grünen in der Vergangenheit stets kritisiert hatten. Lindner betonte im Gegenzug, seine Partei stelle die Klimaziele und die Energiewende nicht grundsätzlich in Frage. Einig waren sich beide zudem über eine Absenkung der Stromsteuer.

Echte Unterschiede gab es erst wieder bei der Abreise: Während Cem Özdemir auf einem Elektrofahrrad davonfuhr, verzichtete Christian Lindner auf physikalisch Unmögliches und stieg in einen BMW mit Verbrennungsmotor.

23 Jun 2017

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Malte Kreutzfeldt

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