taz.de -- Protest gegen G-20-Treffen: Der Gipfel gegen den Gipfel
Der Protest in Hamburg formiert sich: Ein Bündnis von 75 Organisationen ruft kurz vor dem G-20-Treffen zum Gegengipfel auf.
Hamburg taz | Am Himmel kreist ein Polizeihubschrauber. Während die OrganisatorInnen des Alternativgipfels ihre Pläne für den 5. und 6. Juli vorstellen, beginnt die Polizei offiziell den größten Einsatz in der Geschichte Hamburgs.
Kurz bevor sich die Staats- und RegierungschefInnen der 20 mächtigsten Industrieländer in Hamburg treffen, trommelt ein Bündnis von über 75 Organisationen aus dem gipfelkritischen Spektrum zu einem Alternativgipfel. GlobalisierungsgegnerInnen, KlimaaktivistInnen, Gewerkschaften, Flüchtlingsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen wollen zwei Tage lang darüber diskutieren, wie eine gerechte und solidarische Welt funktionieren könnte.
Der „[1][Gipfel der globalen Solidarität]“, der direkt vor dem G-20-Gipfeltreffen auf dem Gelände des Kampnagel-Theaters stattfindet, versteht sich als Teil der vielfältigen Protestaktionen gegen G 20.
„Wir sind der gemeinsamen Überzeugung, dass die G 20 die globalen Probleme verschärfen“, sagt Achim Heier von Attac. Keinen Konsens gibt es hingegen in der Frage, ob man die G 20 generell ablehnt. Für Attac und linke Gruppen wie die Interventionistische Linke sind die G 20 Teil des Problems, für kirchliche Organisationen können sie zugleich Teil der Lösung sein. So war es nicht möglich, einen gemeinsamen Aufruf zu formulieren, und die Kirchenorganisationen haben sich aus dem engeren Planungskreis zurückgezogen.
Zudem hat das vermeintlich zu linke Image der Interventionistischen Linken und Attacs den Kirchen Bauchschmerzen bereitet. Auch aus Sorge, durch eine Kooperation mit ihnen unter Druck zu geraten, haben sie den Aufruf für den Gegengipfel nicht unterzeichnet. „Die G 20 verteidigt ein System, das die soziale Ungleichheit auf die Spitze treibt, statt Politik gegen die Verelendung und den Hunger zu machen“, heißt es in dem Papier.
Elf Podien, 70 Workshops
Ziel der Veranstaltung ist es nicht zuletzt, den Bildern von Krawall und Polizeigewalt, die wahrscheinlich in den Gipfeltagen um die Welt gehen werden, eine inhaltliche Auseinandersetzung entgegenzusetzen.
Bei elf Podien und in 70 Workshops wollen zahlreiche internationale Gäste wie die Trägerin des alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, der kurdisch-syrische Politiker Salih Muslim aus Rojava und der ecuadorianische Wirtschaftswissenschaftler Alberto Acosta zusammen mit den TeilnehmerInnen Forderungen an die G 20 formulieren.
Die Heinrich-Böll-Stiftung versteht den Gipfel der globalen Solidarität als Erweiterung zum Civil 20 (C 20), die konstruktiven Einfluss auf die G 20 nehmen wollen und am vergangenen Sonntag und Montag in Hamburg getagt haben. Im Unterschied zum C 20 ist der Gegengipfel für alle offen.
Die InitiatorInnen des Alternativgipfels haben allerdings Sorge, dass die erwarteten 1.500 Gäste Probleme haben werden, einen Schlafplatz zu finden. Viele TeilnehmerInnen hatten geplant, im antikapitalistischen Camp im Stadtpark zu übernachten. Der Senat will aber verhindern, dass es überhaupt ein Camp gibt, und hat eine Allgemeinverfügung erlassen, die politische Versammlungen auf 38 Quadratkilometern der Hamburger Innenstadt verbietet. Mehrere Initiativen klagen dagegen.
Zwar haben die CamporganisatorInnen bereits einen Etappensieg erzielt: Das Verwaltungsgericht gab den AnmelderInnen am Mittwoch recht und kippte das Versammlungsverbot für das Camp. Die Polizei hat aber bereits eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht angekündigt. Doch dieses entschied, dass das geplante G20-Protestcamp im Stadtpark keine grundrechtlich geschützte Versammlung sei. [2][Aber der Streit geht weiter].
23 Jun 2017
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Beim Gegengipfel in Hamburg herrscht gute Stimmung – und Einigkeit gegen die Konzerne und die G20, die deren Macht sicherten.
Nach einer Party in ihrer Unterkunft sind drei Hundertschaften nach Berlin zurückbeordert worden. Von Strafen war die Rede. Ist das nicht ein bisschen überreagiert?
Die Camps gab es schon früher und eigentlich ist die Rechtslage klar: Die Demonstranten können Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt selbst bestimmen.
Das Bundesverfassungsgericht kassiert das Verbot des Protestcamps. Zelte zur Übernachtung müssen von der Stadt Hamburg jedoch nicht geduldet werden.
Nicht alles, was über die feiernden Polizisten behauptet wird, sei wahr, warnen Polizeikreise. Die Berliner Clubcommission dankt.
Statt einer wird es viele Aktionen gegen den Gipfel geben. Die taz hat Akteure untersucht – auf Herz, Nieren und Krawallpotenzial.
Was können die G-20-Proteste gegen Rechtsextremismus ausrichten? Drei AktivistInnen über Mobilisierung und Alltagsrassismus.
Nächste Runde im Camp-Streit: Die Übernachtung im Stadtpark sei keine schützenswerte Meinungsäußerung, also auch keine Dauerkundgebung.
Ist es moralisch, den G-20-Oberhäuptern das von Angela Merkel anberaumte Klassik-Konzert zu kredenzen, selbst wenn es nur Beethoven ist?
Ein Verwaltungsgericht hat gegen das allgemeine Demonstrationsverbot entschieden: Die Gipfelgegner dürfen im Stadtpark zelten.