taz.de -- Kommentar zur Rigaer Straße: Sinnlos brutal und taktisch dumm

Mit der jüngsten Gewalt schaden sich die Unterstützer der Hausprojekte auch selbst: Die Sympathien für sie in Kiez und Politik schwinden.
Bild: Spuren einer gewalttätigen Nacht: ausgebranntes Auto in der Rigaer Straße am Sonntag

Man kann von der linken Szene nicht per se erwarten, dass sie das aktuelle politische System in Berlin in irgendeiner Weise toleriert. Das würde ihrem Selbstverständnis nicht gerecht werden.

Aber man kann erwarten, dass sie die Gewaltfrage stellt. Und dass sie erkennt, welche Vorteile die rot-rot-grüne Regierung für sie bietet und ihre Taktik darauf abstimmt. Vor diesem Hintergrund sind die seit einigen Wochen in der Rigaer Straße wiederkehrenden Ausschreitungen gegen Polizisten und Sachen nicht nur menschenverachtend, sondern auch inhaltlich nichts anderes als fahrlässiger Schwachsinn.

Rot-Rot-Grün ist nach den politisch in nichts zu rechtfertigenden Eskapaden eines Frank Henkel im Friedrichshainer Nordkiez schließlich das Beste, was den BewohnerInnen der dortigen Hausprojekte in realpolitischer Hinsicht passieren konnte. Diese Regierung hat eine Bringschuld: Sie muss zeigen, dass sie andere Ideen als der einstige CDU-Innensenator hat, wie sich die Konflikte zwischen Investoren und Szene, zwischen BesitzerInnen nicht gerade billiger Eigentumswohnungen und alteingesessener Bevölkerung lösen lassen.

Dazu gehört auch, den verbliebenen Hausprojekten eine Perspektive zu bieten. Gerade Grüne und Linke brauchen dabei Erfolge, die sie bei der eigenen Klientel vorzeigen können. Mit anlassloser Gewalt wie in der Nacht zum Samstag nehmen sich die vermeintlichen UnterstützerInnen der Rigaer 94 aber selbst aus dem politischen Spiel. Wem nicht geholfen werden will, dem ist nicht zu helfen.

Mehr noch: Sie verprellen auf diese Art langsam, aber sicher die Sympathien, die sie im vergangenen Sommer bei ihren NachbarInnen gewonnen haben. Viele Anlieger wollen ja genau so wenig wie sie in einer durchgestylten, hochsanierten und von anderen Ecken nicht mehr zu unterscheidenden Umgebung wohnen. Aber spätestens, wenn deren zehn Jahre altes Auto in Flammen aufgeht, werden sie die Sympathiefrage neu stellen. Und niemand kann es ihnen verübeln.

18 Jun 2017

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Bert Schulz

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