taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Wo die Vorurteile gedeihen
Kampf gegen Vorverurteilungen: Chris Dercon verrät das Programm für seine erste Spielzeit an der Volksbühne und der Tag gegen Homophobie wird bunt und laut.
Schön, wenn zu einer Diskussion, die zunehmend im luftleeren Raum geführt wird, endlich auch Fakten dazukommen. Diese Hoffnung jedenfalls könnte sich für die Debatte um Chris Dercon, den künftigen Intendanten der Volksbühne, diese Woche erfüllen. Die Personalie des Belgiers steht bereits seit 2015 fest, und seitdem prophezeien die Anhänger des jetzigen Intendanten Frank Castorf den Untergang der Bühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Ein Schlagwort fasst ihre Sorge zusammen: „Eventbude“. Zu einer solchen werde Dercon die Volksbühne verkommen lassen.
Ab Dienstag gibt es für Dercon-Gegner und -Verteidiger neue Argumente. Dann nämlich stellt Dercon, der zuletzt die Tate Gallery in London gemanagt hat, das offizielle Programm für seine erste Spielzeit ab September vor. Einigen Zeitungen hatte er bereits im Dezember erzählt, was er im Groben vorhat. Klar ist zum Beispiel, dass es zunächst in einem Mobilen Theater auf dem Tempelhofer Feld losgeht, auch Flüchtlinge sollen bei dem Projekt mit beteiligt werden. Mit „Guerrilla-Aktionen“ spielt sich Dercons Team in den folgenden Wochen durch die Stadt gen Rosa-Luxemburg-Platz. Klingt eigentlich gar nicht nach Eventbuden-Mentalität, aber gut, ein erster Auftakt – man wird sehen. Vielleicht ja sogar mit einem vorurteilsbefreiten Blick.
Um Vorurteile und wie man ihnen begegnet – am besten laut, gemeinsam und mit Haltung! – geht es auch am Mittwoch. Dann ist wieder Internationaler Tag gegen Homophobie. Verschiedene Bündnisse und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes planen Veranstaltungen in der Stadt: Um 10 Uhr soll ein großes Regenbogenbanner vor dem Reichstag aufsteigen, nachmittags geht’s weiter zum Brandenburger Tor, um 16 Uhr schließt die Kundgebung [1][„Liebe verdient Respekt“] am Wittenbergplatz an. Das Motto ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die man in Zeiten von AfD aber leider doch wieder betonen muss.
Apropos Vorurteile: Die nehmen im Berliner Stadtverkehr gern besonders an Fahrt auf. Genervt hupt der Taxifahrer, weil sich der Radfahrer mit eingezogenen Schultern durch die viel zu schmale Gasse zwischen Seitenspiegel und Bordsteinkante wackelt – und fährt beim nächsten Mal noch ein bisschen näher an den Gehsteig heran. „Idiot“, brüllt der Radfahrer derweil dem unaufmerksamen Rechtsabbieger hinterher. 17 FahrradfahrerInnen starben im vergangenen Jahr im Straßenverkehr. Am Mittwoch ruft der Radfahr-Club ADFC ab 19 Uhr zur Gedenkfahrt [2][„Ride of Silence“], Treffpunkt ist – schon zum zweiten Mal in dieser Woche – am Brandenburger Tor.
15 May 2017
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