taz.de -- Demonstrationen in Venezuela: Drei Tote und Tränengaswolken

Präsident Maduro fürchtet um seine sozialistische „Revolution“. Es kommt zum Showdown regierungstreuer Milizen und der Opposition.
Bild: Die Lage in Venezuela eskaliert

Buenoa Aires taz | Hunderttausende waren am Mittwoch vor allem in der venezolanischen Hauptstadt Caracas auf den Beinen. Die Bilanz: mindestens drei Tote, 150 Verletzte und 270 Festnahmen.

Ein 17-jähriger Student starb in Caracas an den Folgen eines Kopfschusses. Ebenso eine 23-jährige Frau im Bundesstaat Táchira. Im Bundesstaat Miranda soll ein Nationalgardist von einem Scharfschützen erschossen worden sein, wie der regierungstreue Politiker und staatliche Ombudsmann Tarek William Saab mitteilte.

Die Opposition hatte [1][zur „Mutter alle Demonstrationsmärsche“ aufgerufen]. Dagegen wollte Präsident Nicolás Maduro „die größte rote Flut, die man je gesehen hat“, mobilisieren – am 207. Jahrestag der Unabhängigkeit Venezuelas. Genaue Zahlen zu den Demonstrationen gibt es nicht, die Rede ist von mehreren Millionen Teilnehmenden.

Während durch einen Teil von Caracas Tränengasschwaden zogen und sich Demonstrierende heftige Straßenschlachten mit Polizei und Nationalgarde lieferten, schallten durch einen anderen Teil die Stimmen von Präsident Maduro und seiner Anhänger.

Dieser hatte zuvor die Parole ausgegeben, die Opposition bereite einen Staatstreich vor und versetzte seine Getreuen mit martialischer Rhetorik in Alarmbereitschaft. „Volk aufgepasst, die Stunde der Schlacht ist gekommen. Wir sind in entscheidenden Stunden für das Schicksal unseres Vaterlandes.“ Es gebe ein Komplott zwischen der US-Regierung und dem Parlamentspräsidenten Julio Borges.

Weitere Demonstrationen geplant

Seit der vorübergehenden Entmachtung der von der Opposition mehrheitlich dominierten Nationalversammlung durch den Obersten Gerichtshof Ende März hat die Opposition zu verstärkten Protesten auf der Straße aufgerufen. Bei den folgenden Auseinandersetzungen kamen bereits fünf Menschen ums Leben.

Am Mittwoch wollte die Opposition abermals zum Sitz des Defensor del Pueblo marschieren, des staatlichen Ombudsmanns. Dort sollte eine Petition übergeben werden, in der die volle Anerkennung der Nationalversammlung und der Verfassung, die Neubesetzung des Obersten Gerichtshofes, die Freilassung der politischen Gefangenen sowie die seit Dezember 2016 verschobenen Gouverneurs- und Kommunalwahlen gefordert werden.

Gelungen ist dies nicht. Polizei und Nationalgarde verhinderten den Zugang zum Westteil von Caracas, teils mit Tränengas und Gummigeschossen. Die Opposition hat für Donnerstag zur Wiederholung der Mutter aller Märsche aufgerufen. „Wenn heute Millionen auf die Straßen gegangen sind, müssen morgen noch mehr rausgehen“, sagte Oppositionsführer Henrique Capriles.

Verheerende wirtschaftliche und soziale Situation

Für die Regierung bieten die Proteste einen willkommenen Anlass, um von der katastrophalen Wirtschaft- und Versorgungslage abzulenken. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt leidet unter dem Ölpreisverfall. Seit über einem Jahr regiert Maduro mit wirtschaftlichen Notstandsmaßnahmen, die er am Parlament vorbei verhängen kann.

An der verheerenden Situation hat sich bis heute nichts zum Positiven geändert. Im Gegenteil, in seinem am Dienstag veröffentlichten Ausblick prognostiziert der Internationale Währungsfonds die Fortsetzung der wirtschaftlichen Talfahrt Venezuelas. Schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 18 Prozent, so erwartet der IWF für das laufende Jahr einen Rückgang um 7,4 Prozent. Die für das laufende Jahr prognostizierte Inflationsrate von 720 Prozent soll im kommenden Jahr bei über 2.000 Prozent liegen.

20 Apr 2017

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Jürgen Vogt

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