taz.de -- Mehr Abschiebungen in Berlin: R2G schiebt ab
Unter Rot-Rot-Grün ist die Zahl der Abschiebungen in der Bundeshauptstadt weiter angestiegen – trotz anders lautender Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag.
Unter dem rot-rot-grünen Senat sind bisher nicht weniger Menschen abgeschoben worden als unter der rot-schwarzen Vorgängerregierung. Absolut lag die Zahl der Abschiebungen aus Berlin im ersten Quartal 2017 mit 712 Menschen sogar über der des Vorjahreszeitraums: Von Januar bis März 2016 hatte Berlin 521 Menschen abgeschoben.
Die Zahlen sind damit seit 2015 insgesamt stark gestiegen. In dem Jahr waren 806 Menschen abgeschoben worden. Der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte sich Mitte 2016 noch damit gebrüstet, die Zahl der Abschiebungen aus Berlin im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht zu haben. Die rot-rot-grüne Koalition hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie einen Paradigmenwechsel anstrebe und anstelle der reinen Abschiebepolitik die unterstützte Rückkehr fördern wolle. Die Innenverwaltung teilte mit, dass Innensenator Andreas Geisel (SPD) zum Wortlaut der Koalitionsvereinbarung stehe. Das Land Berlin habe aber keinen generellen Abschiebestopp verhängt, auch nicht nach Afghanistan. Bei jeder Abschiebung fände eine gründliche Abwägung des Einzelfalls statt.
Vor allem nach Moldau
Mit rund 480 Personen erfolgten 2017 bisher die meisten Abschiebungen nach Moldau, gefolgt von Serbien, Albanien, Kosovo und dem Irak. Serbien, Albanien und Kosovo gehörten bereits 2016 zu den Ländern, in die am häufigsten abgeschoben wurde. Nach Moldau gab es damals insgesamt 208 Abschiebungen aus Berlin. Dies könnte laut der flüchtlingspolitischen Sprecherin der Grünen, Canan Bayram, eine Erklärung für die aktuell hohe Zahl der Abschiebungen sein, da Berlin eine Sonderzuständigkeit für Menschen aus Moldau hat und diese auch aus anderen Bundesländern nach Berlin geschickt werden. „Ich finde jede Abschiebung falsch, aber es ist im Fall von Moldau schwierig, auf Landesebene eine Lösung zu finden, weil Berlin hier nicht – wie im Fall von Afghanistan – die Sicherheitslage grundsätzlich anders bewertet als der Bund“, sagte sie.
27 Apr 2017
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
2017 gab es deutlich weniger Abschiebungen – trotzdem finden sie weiter statt, auch in Länder wie Afghanistan. Der Flüchtlingsrat Bayern ruft zu Protesten auf.
Dass Afghanistan kein sicheres Herkunftsland ist, weiß der Berliner Senat. Dennoch haben junge Geflüchtete Angst, dorthin abgeschoben zu werden. Flüchtlingsinitiativen fordern nun ein Bleiberecht für sie.
Berlin will zwar nicht nach Afghanistan abschieben, Ausreiseaufforderungen verschickt das Land trotzdem. Unter afghanischen Flüchtlingen sorgt das für Panik.
Rot-Rot-Grün muss Abschiebungen von Berlin aus beenden, fordern Demonstranten im Flughafen Schönefeld bei einem bundesweiten Aktionstag.
Am Samstag wird in Berlin erneut gegen Abschiebungen nach Afghanistan protestiert. Getragen wird die Demo vor allem von Afghanen selbst.